Tag 54: Matsumoto – Nagano – Shibu Onsen

Tag 54: Matsumoto – Nagano – Shibu Onsen

Wie unterschiedlich man ein und den selben Ort wahrnehmen kann, lernte ich an meinem Abreisetag in Matsumoto. Die Stadt kam mir bislang einfach nicht besonders schön, eher sogar etwas trist vor. Für einen Schönheitspreis reizt mich die generelle Struktur der Stadt noch immer nicht – da mag ich Tokyo mit seinen etwas wilderen Gassen irgendwie mehr. Doch Matsumoto wirkte nochmal ganz anders, als die Sonne mich beim verlassen des Hotels empfing. Alles erstrahlte plötzlich in einer viel lebendigeren Farbpalette.

Da machte ich nur all zu gerne noch eine Extrarunde, während ich sowieso noch ein bisschen Zeit zum passenden Zug zu meinem nächsten Ziel vertrödeln musste: Nagano. Asami Onsen war auf einmal total schön. Die Burg Matsumoto war auf einmal total schön. Und ich ging sogar eine echt interessante Gegend entlang wo die Gebäude etwas alt und zerfallen wirkten – aber irgendwie sah es trotzdem total schön aus. Verurteilt einen Ort nie für das Wetter, bei dem ihr ihn besucht!

Trotzdem konnte ich es nicht lassen, noch einmal in den Bookoff zu gehen und meinen knappen Platz im Rucksack mit einigen Schnäppchen zu füllen. Eine Asuna-Figur für 440 Yen (unter 3 Euro) ist selbst ohne Umverpackung einfach nur krass. Mit den Blick auf Reisfelder, Wälder und meiner Beute ging es im Zug nach Nagano.

Olympische Gefühle in Nagano

Die Olympischen Winterspiele in Nagano sind eine meiner ersten olympischen Erinnerungen. Das lag auch daran, dass mein Bruder und ich damals auf unserem zu Weihnachten bekommenen Nintendo 64 auch das Spiel dazu hatten und dort von Buckelpisten über Eiskanäle bis hin zum Curling die Medaillen streitig machten.

Der olympische Geist lebt in dieser sehr zentral auf Japans Hauptinsel Honshuu gelegenen Stadt noch immer spürbar weiter. Schon direkt am Bahnhof begrüßt einen dieses sportliche Erbe. Ein Bahnhof der übrigens von außen, mit einigen klassischen Elementen versehen, so einiges hermacht!

Zwar sollte Nagano nur ein kurzer Zwischenstop sein, doch einer der mir überraschend zusagte. Dafür sorgten schon die hölzernen Laternen entlang der Straße zum Zenkō-ji, ein großer buddhistischer Tempel, um den herum sich Nagano einst als Tempelstadt entwickelte. Der Tempel ist auch heute noch die große Hauptattraktion und vom großen Eingangstor aus sind noch zwei Wohnblöcke inklusive einer verlockenden Einkaufsstraße, die natürlich mit reichlich Leckereien lockt.

Das Tempelgelände selbst ist riesig und hat nicht nur Platz für die großen Tempelgebäude, sondern lockt auch mit einem ausladenden Garten und einigen Statuen zum Erkunden ein. Auch wenn ich selbst leider nicht mehr ins innere des Hauptgebäudes rein konnte, hatte ich das Glück, dass dort eine Zeremonie inklusive Trommeln stattfand, die schön nach draußen hallten.

Ich entschied mich noch eine Bahn zu warten und erkundete gemütlich den Tempel und auch den angrenzenden Park. Nur für das dort gelegene Museum lohnte die Zeit dann nicht mehr, bis es in Richtung der Zenkojishita Station ging. Unteridisch wie sie ist mutet sie auch vom Eingang mehr wie eine U-Bahn-Station an, auch wenn Nagano keine U-Bahn im eigentlichen Sinne hat. Und es gibt dort tatsächlich einen Fahrkartenschalter, bei dem ich mir ein Ticket für den Expresszug Richtung Yudanaka kaufte. Die Endstation sollte auch der Ausstieg sein, um mein heutiges Reiseziel zu sein.

Ankunft in Shibu Onsen

So bildschön Magome auf diesem Reiseabschnitt war: In Shibu Onsen und Umgebung habe ich mich sofort verliebt. Yudanaka ist auf dem Papier eine eigene Onsenstadt, aber eigentlich gehen die Orte geradezu fließend ineinander über.

Da Shibu Onsen am nahen Fluss lag, entschied ich mich meinen weitgehend dort entlang zu nehmen. Dass ich eine gewisse Schwäche für die Flüsse in Japan habe, dürfte ja ohnehin bekannt sein. Zum Glück war ich nur mit Rucksack unterwegs, denn zum Fluss ging es erstmal etwas abwärts, um dann natürlich flussaufwärts wieder mit etwas Steigung konfrontiert zu werden. Der am Fluss war außerdem auch nicht unbedingt der beste, hätte ich schweres Gepäck gehabt. Wohlgefühlt habe ich mich natürlich trotzdem. Alles war etwas dörflicher und es war gerade weit genug von Nagano entfernt, dass sich in sämtliche Richtungen Berge erhoben. Von der nahen Großstadt ließ sich nichts erahnen.

Zugegeben: An einer Stelle gab es die typischen Betonbefestigung eines Hanges und ein riesiges Resort-Hotel, dass einfach nicht zu seiner Umgebung passen wollte. Davon abgesehen atmete der gesamte, nicht gerade kurze Weg einfach einen angenehm entschleunigt-urtümlichen Charme. Der ideale Ort, um einfach mal für zwei Tage so richtig zu entspannen.

Und es hörte bei meiner Unterkunft nicht auf. Nicht nur hatte ich eine echt hübsche Unterkunft mit kleiner Loggia im Zimmer, sondern es lag dort auch eine handgemalte Karte von Shibuonsen aus, die viele interessante Orte zeigte, von denen ich rückblickend viel zu wenig besuchen sollte. Da hätte ich echt nochmal einen zweiten Blick drauf werfen sollen.

Die geilsten Fritten ever!

In meinem Ryokan erhielt ich übrigens auch einen Schlüssel, der mir Zugang zu allen 9 semi-öffentlichen Onsen des Ortes gewährt. Bis auf eine Ausnahme dürfen dort allerdings nur Einwohner oder eben Übernachtungs-Gäste in den Ryokans rein. Ich kaufte mir ebenso ein besonderes Handtuch, auf dem man bei jeder Quelle einen Stempel einsammeln konnte. Eine unglaublich tolle Erinnerung an Shibu Onsen.

Natürlich erkundete ich noch ein wenig den Ort um mein Ryokan herum und genoss den Sonnenuntergang bei diesem echt malerischem Wetter. Aufgrund fehlender abendlicher Restaurants, genoss ich mein Abendessen ausnahmsweise im Hotel und sollte es nicht bereuen. Etwas untypisch war das Essen nicht inklusive sondern abhängig von der Bestellung. Für mich war es ganz gut, dass es nicht die klassiche Ryokan-Küche gab, sondern eine überraschend westlich inspirierte Küche.

Ich bestellte mir neben einem echt leckeren Kräuter-Brot noch die Pommes mit Dips und wurde davon regelrecht weggeblasen. Zum einen bestanden die Fritten gleichermaßen aus Pommes und Potato Wedges, die zudem mit Kräuter verfeinert wurden. Zusätzlich gab es aber auch noch zwei hausgemachte Dips, der eine auf Knoblauch basiert, der andere mit Chili, die einfach nur Königsklasse waren. Es waren ungelogen die geilsten Fritten, die ich jemals gegessen habe. Umso mehr schmerzte es, dass das Restaurants des Ryokans eher spärlich besucht war. Auch das lokale Bier dazu war einfach perfekt. Esst unbedingt in dem Restaurant, selbst wenn ihr dort nicht schlaft – es ist echt gut!

Erste Badeausflüge

In Shibu Onsen warteten allerdings 9 Quellen auf einen Stempel auf meinem Handtuch. Darum ging es auch gleich schon am ersten Tag los. Zumindest die ersten drei wollte ich am ersten Tag abhaken. Also nichts wie in den Yukata geschmissen – der natürlich gratis im Zimmer bereitgelegt wurde. Im Eingangsbereich des Ryokan lagen sogar massenweise Geta – historische Sandalen aus – die man sich anziehen konnte. Ich war ja schon durch meinen Ito-Aufenthalt anderes Schuhwerk gewohnt, aber die Sandalen toppten alles. Dass ich auch für deutsche Verhältnisse überdurchschnittlich große Füße habe, half mir dabei nicht wirklich. So stakste ich mich also auf den hölzernen Latschen durch das mittlerweile etwas dunklere Shibu Onsen auf der Suche nach den ersten Badehäusern.

Gleich das erste Badehaus sollte mir zeigen, wohin die Reise gehen soll. Die Bäder in diesem Ort sind brutal in der Temperatur, in der sie halt aus dem Erdboden kommen. Und so weit ich die kleinen Informations-Häppchen per App übersetzt habe sind zum Teil nicht wirklich feierliche Temperaturen. Zwar gibt es auch jeweils einen Wasserhahn um kaltes Wasser hinzuzuführen, doch um die Temperatur wirklich zu senken, muss man die schon seeehr lange laufen lassen. Und irgendwo möchte man das Bad den “Locals” auch nicht wirklich versauen.

Meine Erwartungen an ein Bad haben sich an diesem Tag stark verändert: Die Bedingung mir einen Stempel abzuholen verschob sich auf “mindestens einmal arschtief im Wasser sein”. Und das fühlte sich bei den meisten Bädern schon eher wie ein Kochen des lebendigen Leibes an. Nur eines der am Ende vier Bäder dieses Tages war kalt genug, dass ich dort wirklich entspannt verweilen konnte. Die anderen waren eher eine Überwindung einmal entsprechend tief einzutauchen, dass ich es für mich abstempeln konnte.

Alleine war ich übrigens nicht in allen dieser kleinen Bäder. Es handelt sich dabei nämlich um semioffene Bäder für Locals und Gäste. Nur in einem Bad traf ich jemanden, der offenbar die heißen Temperaturen wirklich gewöhnt war. In einem anderen verlief es trotz Partner auf der anderen Seite auch mehr nach dem Prinzip “zumindest einmal drin sein”. Übrigens gibt es dort auch kein all zu großes Vorabwaschen. Zwar habe ich mich zuvor immer mit ein paar Schippen des Quellwassers übergossen, aber generell baut man hier darauf, dass das Wasser sowieso die ganze Zeit nachkommt.

Der Tausendfüßler des Todes!

Der erste Tag war trotz des heißen Wassers ein Erfolg. 4 Bäder besucht, noch 5 übrig. Obwohl die Bäder weitgehend etwas zu heiß für mich waren, fühlte ich mich am Abend doch ziemlich erholt. Da spielte ich nur all zu gerne noch etwas auf der Switch um ein wenig Zeit zum Morgen verstreichen zu lassen.

Umso überrraschter war ich allerdings, als plötzlich ein unerwarteter Gast im Zimmer auftauchte. Ein Tausendfüßler hatte es sich direkt auf meiner Schlafstätte gemütlich gemacht, während ich gezockt habe. Und es ist nicht sehr förderlich Tausendfüßler in Japan zu googeln, vor allem wenn dieses Exemplar doch ziemlich groß war.

Für einen Moment war ich echt etwas überfordert, doch kurz darauf kam mir eine Idee. Auf dem Klo fand ich tatsächlich ein Glas, dass eigentlich mehr dem Zähneputzen vorenthalten war, aber so gerade groß genug schien, um den Tausendfüßler zu fangen. Doch selbst das gelang nur von der Seite, weil das Vieh größer war als der Durchmesser der Glasöffnung. Es fühlte sich trotzdem etwas seltsam an, mit dem Glas runterzugehen in den verlassenen Eingangsbereich samt Restaurant und dort die Tür zu öffnen und das Geschöpf in die Nacht zu entlassen.

Zum Glück ist mir kein weiterer Tausendfüßler begegnet, doch die Alarmglocken waren aktiv. Kam es von der beleuchtenden Loggia, kam es aus einem andere Zugänge für Kabel? Ich war da wirklich ein Stück weit verunsichert, gerade weil solche Tausendfüßler nicht immer ungefährlich sind. Diese direkt in der ersten Nacht auf der eigenen Schlafstätte zu sehen ist echt nicht toll und ich hielt die Fenster fortan weitgehend geschlossen.

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