
Tag 53: Matsumoto im Regen
Die Wirkung eines Onsens ist magisch. Trotz der enormen Wegstrecke am Vortag fühlten sich meine Beine beim Aufstehen absolut erholt an. Solltet ihr einen straffen Reiseplan in Japan haben: Gönnt euch einen Onsenbesuch oder zumindest ein heißes Bad zwischendurch – danach fühlt ihr euch einfach wie neu geboren.
Beschwingt ging es daher am Morgen wieder in Richtung Stadtkern. Der leichte Nieselregen war nicht schön, aber noch halbwegs erträglich. Allerdings verließ ich das Hotel mit gleich mehreren Lagen Kleidung, weil es mal eben mein wohl kältester Tag in Japan war. Weil mir auf dem Weg ein “Berg” ins Auge fiel, der recht erreichbar und eingebetteter in der Stadt wirkte, entschied ich mich für einen kleinen Umweg – solange das Wetter noch halbwegs mitmachte.
Die 650 Meter Höhe des “Berges” sind freilich etwas irreführend, da Matsumoto selbst allein schon auf gut 600 Meter Höhe liegt. Die Straße in Richtung Berg ging übrigens zuerst an einem japanischen Friedhof vorbei. Diese Friedhöfe haben irgendwie eine ganz andere Stimmung, weil die Grabsteine eher wie kleine Türme aus dem Boden hervorgehen. Es fühlt sich allerdings schon seltsam an, als Tourist über einen Friedhof zu gehen – als Einzelperson bestand bei aber zumindest wenig Gefahr, die Ruhe zu stören und zu dem Zeitpunkt war ich auch die einzige Person dort. Das liegt vielleicht auch daran, dass in Japan eigentlich Urnenbegräbnisse üblicher sind. Als Inselnation ist der Platz ohnehin ein bisschen knapper.
Der anschließende Weg den Koboyama hoch war jetzt nicht übermäßig anstrengend – dafür habe ich in Japan mittlerweile aber auch zu viele höhere Gipfel erstürmt. Ich liebe es trotzdem und dass der kleine Berg in der Stadt ist, sorgt für einen hübschen Blick auf selbige. Oben sah man die letzten Überreste einer Ruine, die vermutlich mal der Zugang zu dem Hügelgrab waren. Auf das 3. Jahrhundert datiert ist der Koboyama nämlich auch Heimat eines der ältesten Hügelgräber Japans. Den schönsten Anblick habe ich aber wohl um etwas mehr als einen Monat verpasst. Der Hügel ist gesäumt von zahlreichen Kirschbäumen. Zur Kirschblüte muss das ein traumhaft schöner Ort sein.



Sightseeing im Einkaufszentrum
Auf dem Weg vom kleinen Berg zum Stadtkern hatte ich Zeit meine Eindrücke schon ein bisschen zu ordnen. Das Zwischenfazit für Matsumoto fiel eher durchwachsen aus. Auf der einen Seite mag ich dieses recht ruhige Gefühl abseits des Massentourismus. Auf der anderen Seite war Matsumoto aber auch etwas langweilig. Damit meine ich aber mehr das generelle Stadtbild. Zwar ist alles etwas grüner als etwa in Tokyo, aber die Straßen luden weniger zum Erkunden ein. Ein paar wenige Hauptstraßen und dazwischen ein eher geordnetes Netz kleinerer Straßen. Die Verworrenheit und engen Gassen zum Erkunden eines Tokyos fehlten mir da einfach.
Ein wenig lag der Eindruck aber wohl auch am Wetter, das zunehmend schlechter wurde, als ich zum Stadtzentrum kam. Zum Mittagessen sparte ich mir darum die Suche und ging zum vertrauten CoCo Ichibanya. Man war sogar so lieb für mich extra die englische Karte rauszuholen, auch wenn ich das Menü eigentlich schon gut genug kannte. Hier gönnte ich mir zumindest mal ein kleines Nan dazu.
Weiterhin verregtnet flüchtete ich vom Curry zum Matsumoto Parco, dem größten Einkaufszentrum der Innenstadt. Matsumoto war leider nicht ganz so shoppingfreundlich bei Regen wie andere Städte mit ihren überdachten Einkaufsstraßen. Doch auch das Parco hatte ein paar schöne Überraschungen parat. Ich wäre fast bei einer Doraemon und Hello Kitty-Ukulele schwach geworden. Aber zum einen kann ich keine Ukulele spielen, zum anderen müsste ich es ja auch noch mit mir rumschleppen.
Im Parco gab es nicht nur ein gewisses Anime-Angebot, sondern auch eine Village Vanguard, den ich bislang in Japan schändlicherweise ausgelassen hatte. Das Village Vanguard ist auf dem Papier ein Buchladen, der aber wohl irgendwo mit der Absurdität eines Don Quijote in Berührung gekommen ist. Anders lässt sich das teils schon bizarre Warenangebot kaum erklären. Besucht unbedingt einen Village Vanguard in Japan!



Zurück zu den Fröschen
Als das Wetter sich besserte, wollte ich unbedingt nochmal zurück zur Froschstraße Nawate Dori, um sie mir genauer anzuschauen. Das Froschthema zog sich wirklich komplett durch die Straße und fand sich auch im Angebot mancher Verkaufsstände. Die Straße entlang des Flusses Matabo ist bereits mehrere hundert Jahre alt und bekannt für die Vielzahl Kajika-Fröschen entlang des Flusses. 1959 überfluteten die schweren Regenfälle eines Taifuns die Gegend um die Nawate Dori und die Frösche zog es zu höheren Bereichen, wo das Wasser nach der Flut sauberer war. Trotz großer Bemühungen den Fluss zu säubern kamen die Frösche leider nie zurück. Mit den künstlichen Fröschen brachte man sie zumindest im Geiste zurück in die Nawate Dori.
Einen schönen Fund machte ich auch außerhalb des Froschthemas. Damit meine ich nicht einmal das Eiscafé mit seinen teils sehr besonderen Sorten wie Wasabi oder getrockneter Kaki-Frucht. Nein, ich habe ganz offiziell Baden-Baden ganz in der Nähe der Nawate Dori entdeckt. Dabei handelte es sich um ein deutsches Bier-Restaurant das auffällig mit Deutschland-Flaggen und einem Bier-haltenden Schwein warb. Hätte ich bereits wieder Hunger gehabt, wäre ich durchaus versucht gewesen, erstmals Baden-Baden einen Besuch abzustatten.



Zunächst lockte mich aber erst einmal die Burg Matsumoto. Diese ist nicht nur noch älter als die Nawate Dori, sondern zählt wie die Burg Himeji ebenfalls zu den 5 japanischen Burgen, die als Nationalschätze gelten. Sie ist zugegeben deutlich weniger beeindruckend, was auch daran liegt, dass sie auf flachem Grund steht einiges vom damaligen Gelände längst modern bebaut ist. Geblieben ist nur der innere Graben und die Burg. Diese ist aber eine der wenigen noch original erhaltenen Burgen und mit ihrer schwarzen Farbe auch als “Krähenburg” bekannt.
Für 700 Yen ging es dann auch mal direkt in die Burg hinein. Im Prinzip war die Burg sehr ähnlich zu Himeji. Wenig wirkliche Einrichtung und viele steile Treppen mit niedriger Decke, die auch Teil der Verteidigung darstellten – es bleibt mir ein Rätsel, wie selbst einige Senioren diese Treppentortur bewältigen. Für mich ist das härter als so manche Bergwanderung. Teile der Burg sind aber auch ein Museum, in dem man vor allem viele Ausstellungsstücke früher Schusswaffen findet. Dafür lohnt sich der Eintritt dann wirklich.



Zurück zum Hotel
Für eine weitere Sehenswürdigkeit in Matsumoto war es nach meinem Burgbesuch leider etwas zu spät: Das Timepiece-Museum. Ursprünglich als private Sammlung japanischer und westlicher Chronographen begonnen, findet man mittlerweile über 300 Uhren in dem Museum, von denen viele auch noch immer funktionieren. Auch am Eingang befindet sich eine riesige Uhr. Zwischen der Burg und dem Museum befindet sich außerdem ein Gebäude, das mit seinem radikalen Brutalismus so garnicht zur feingeistigen Baukunst der beiden Attraktionen zu passen scheint. Mich wunderte vor allem wegen der teils sehr strengen Architektur-Auflagen in Japan, dass so ein nackter Betonklotz direkt am historischen Herz der Stadt gebaut werden durfte.
Für mich ging es dann aber auch langsam zurück zum Hotel. Wie am Vortag genoss ich dabei den Weg entlang des Flusses. Der Abend verlief dann sehr unspektakulär. Fürs Abendessen beschränkte die Uhrzeit erneut die Auswahl und ich entschied mich für ein lokales Nudel-Restaurant, dass sich auf Abura-Soba spezialisiert hat. Diese Nudelvariante kommt eigentlich eher aus Tokyo. Hier brauchte ich wieder meine Übersetzungs-App, da die Bestellung über einen Automaten lief und dieser komplett japanisch war. Die Nudel schmeckten echt gut und das kleine Nudelrestaurant und die außer mir nur japanische Kundschaft hatte etwas heimelig-lokales.
Zufrieden ging es zurück zum Hotel, wo auf mich erneut ein spätes Bad im Onsen wartete. Diesmal kostete ich das heiße Wasser auch noch ein bisschen länger aus und spürte danach sofort wieder die erholsame Wirkung. So eine Reise kann eine wahrlich reinigende Erfahrung sein.


