Tag 51: Magome
Der erste Teil meiner Abenteuer mit dem JR Pass war bereits eine ziemliche Abwechslung zu meiner Zeit in Tokyo. Dennoch war Kyoto und Umgebung ein ähnlicher Touristen-Magnet, wie die schillernde Hauptstadt. Darum sollte der zweite Teil in Gegenden führen, die zwar beliebt bei Japanern, aber noch nicht so stark vom internationalen Tourismus heimgesucht werden.
Ausgangspunkt für diese Reise sollte der Nakasendo-Weg zwischen den alten Poststädten Magome und Tsumago sein. Von dort geht es dann immer weiter durchs Inland nach Norden. Für den ersten Tag war aber Magome das Ziel. Als ich am Abend zuvor nochmal die Route nachschaute bemerkte ich, dass es aber doch eine ganz ordentliche Strecke ist. Ursprünglich dachte mir: „Am Anreisetag kann ich ja ganz gemütlich aufstehen, damit ich dann zum Checkin dort bin.“ Dann merkt man plötzlich, dass die Reise gute 5 Stunden oder mehr dauert und entschied mich dann doch lieber für ein sehr frühes Aufstehen. Vor allem, wenn sämtliche Geschäfte und Restaurants in Magome schon zwischen 16 und 17 Uhr schließen.
So klingelte der Wecker dann doch etwas rechtzeitiger um 7 Uhr, damit ich auch genug Zeit habe noch eine Kleinigkeit zu essen und die letzten Sachen zu packen, bevor es dann losgehen konnte. Wegen wechselnder Hotels und Wanderabschnitten mit vollem Gepäck verzichtete ich diesmal schweren Herzens auf den Laptop, um sowohl Gewicht, als auch Platz zu sparen. Ein Grund weswegen die Reisebucheinträge mehr als ein Jahr verspätet erscheinen. Zumindest die Nintendo Switch packte ich mir wieder ein, falls ich doch mal ein bisschen verspielter bin.
Shinkansen-Routine
Als alter Hase, was das japanische Schnellzug-Netz angeht, ging natürliches alles glatt. Als Verpflegung für die Fahrt ging ich allerdings nur in den 7-Eleven, um mir dort Sandwiches und eines meiner geliebten fluffigen Schokobrötchen zu gönnen. Meinen Stop zum Umstieg hatte ich bewusst etwas großzügiger geplant, um in Nagoya noch die Möglichkeit zu haben, etwas Anständigeres zu Essen.
Nach einer schönen Fahrt, wenn auch erneut ohne Chance den Fujisan zu sehen, kam ich auch japanisch-pünktlich in Nagoya an und fand schnell das kleine Soba-Restaurant im Bahnhof, dass ich schon zuvor während der Fahrt ausgeguckt hatte. Dort bestellte ich mir am Automaten ein Curry-Udon und war froh, dass es hier sogar Sitzplätze gab. Es war vielleicht nicht die feine Küche, aber es schmeckte, machte satt und kostete für Bahnhofsverhältnisse echt lächerlich wenig. Unter 5 Euro für eine frische, warme Mahlzeit! Ich liebe Japan!
Anschließend hatte ich noch mehr als genug Zeit meinen geplanten Zug zu bekommen, der mich zur Station Ochiaigawa brachte. Auch wenn dieser Zug schon ein „Express“ war, konnte er natürlich nicht Ansatzweise mit dem Shinkansen mithalten und die Station lag trotzdem irgendwo im nirgendwo. Nur wenige schnellere Zugverbindungen halten hier pro Tag und kaum ist der Zug abgefahren, ist man erstaunt, dass man tatsächlich so am Arsch der Welt ausgestiegen ist. Hier war absolut niemand!
Der Weg nach Magome
Zwar gab es von hier die Möglichkeit mit dem Bus nach Magome zu fahren, doch wozu fast 30 Minuten Busfahrt, wenn man auch 90 Minuten durch schönste Berglandschaft wandern kann? Das dachte ich mir zumindest und entschied mich selbstverständlich wieder für die Fußarbeit.
Das sollte sich aber auch wirklich lohnen. Schon von der Station weg wurde ich mit wirklich sagenhafter Umgebung belohnt. Hohe Berge, wilde Flüsse, wunderschöne Brücken und das Örtchen Ochiai, das offenbar das letzte Stück Zivilisation bis zu meinem Ziel war. Entsprechend kam ich dort auch am letzten Konbini vor Magome vorbei und versorgte mich noch mit einigen Snacks und Getränken für die nächsten 24 Stunden. Bei der Gelegenheit gönnte ich mir noch einen Strong Zero in der sommerlichen Apfel-Edition. Kanpai!
Bald darauf verließ ich Ochiai und gelangte auf den alten Nakasendo-Weg. Das ist die alte Poststraße, für die ich überhaupt nach Magome wollte. Schon auf dem Weg dorthin gibt es einen Abschnitt, der einfach nur ein Postkartenmotiv ist, das man selbst beschreiten darf. Ein Weg durch den Wald aus alten, teils stark von Moos bewachsenen Steinen gepflastert.
Darum war ich froh über das endlich wieder trockene Wetter. Es war kein Weg, den ich gerne bei Regen gegangen wäre. Manch leicht feuchte Passagen waren schon rutschig genug – aber der Weg atmete einfach bei jedem Schritt seine lange Historie. Ich hatte schon hohe Erwartungen in meine Anreise, aber hier wurden sie tatsächlich noch ein Stückchen übertroffen. Ich beging im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte.
Erste Bärenwarnungen
In diesem Abschnitt begegnete ich auch nicht mehr so vielen Personen. Ab und an kam mir ein anderer Wanderer entgegen, gelegentlich auch mit dem Klingeln einer Bärenglocken an Rucksack oder Kleidung. Als ich vom steinernen Weg zurück auf asphaltiertere Wege mit vereinzelten Häusern kam, tauchten dann auch schon die ersten Schilder auf, die vor Bären warnten. An sich aber nicht das größte Problem. Die Schwarzbären sind sehr scheu und die Gegend noch immer bewohnt genug, dass es eher unwahrscheinlich ist. Trotzdem ist es schon ungewohnt als deutscher Großstädter über solche Schilder zu stolpern. Überhaupt merkte ich hier erst so richtig, dass ich nun wirklich fern der großen Städte war.
Der Waldweg endete aber bald und mir öffnete sich wieder ein viel weiterer Blick auf die Landschaft. Auf mittlerweile etwas mehr Höhe konnte über die malerischen Reis-Terrassen hinweg Hügel, Berge und entfernte Ortschaften erblicken. Es war einfach nur die pure Idylle. Dazu hörte man bereits einige Frösche in den Feldern – ein Soundtrack, der mich auf dieser Reise noch häufig begleiten sollte.
Bei einer kleinen Parkanlage mit Teich und Bänken erlaubte ich mir einen kleinen Zwischenstop, um die Landschaft einfach auf mich wirken zu lassen. Aber auch unterwegs genoss ich etwa Details wie die Bewässerungssysteme entlang der Straße und auf dem Endspurt nach Magome bog ein Weg ab, der zu einem hübschen kleinen Schrein führte, an dem ich auch wieder 5 Yen für eine hoffentlich gesegnete Reise hinterließ.
Ankunft in Magome
Nach dem Schrein dauerte es nicht lange, da kam ich endlich am unteren Ende Magomes an, dessen alte Gebäude sich entlang einer einzigen Straße nach oben schlängeln. Unten war einiges los, da es dort einen der größten Läden gab, in dem ich mich natürlich auch gerne umgeschaut habe, solange er noch geöffnet hatte.
Es gab etliche lokale Spezialitäten, sowohl handwerklicher als auch kulinarischer Art dort zu kaufen. Ich fand sofort, was ich unbedingt kaufen wollte: Eine Bärenglocke. Zwar hat der Weg am nächsten Tag große Glocken am Wegesrand, aber sicher ist sicher. Es ist außerdem auch einfach ein einzigartiges Souvenir, dass einem gut daran erinnert, wo man unterwegs war. Dazu kam noch ein kleiner lokaler Saké und ein Holzbecher, in dem in Japan oft die eigentlichen Sake-Becher gestellt werden, die aber oft in Gastfreundschaft großzügig überfüllt werden, sodass man den Rest aus dem viereckigen Holzgefäß trinkt.
Anschließend holte ich mir draußen noch eine Kleinigkeit zu essen. Dort war nämlich ein Imbiss mit lokalen Spezialitäten. Wobei Imbiss hier bedeutete, dass unter anderem sehr hochwertiges und teures Fleisch serviert wurde. Und genau bei dem Fleisch griff ich zu. Sicherlich mein teuerstes Fleisch in Japan, aber trotzdem jeden Yen wird. Das Fleisch zerging förmlich auf der Zunge und wurde sehr puristisch mit einem Salz und einer Paste zum dippen angereicht. Einfach ein unglaublicher Genuss!
Erstmal Zimmer beziehen
Nach dem edlen Snack war es längst spät genug, dass ich zu meiner Unterkunft, dem Magome Chaya gehen konnte, um mein Zimmer zu beziehen. Aber dafür ging es bereits schön die steinerne Hauptstraße hinauf an dessen Seiten die herrlich rekonstruierten alten Gebäude. Hier fühlt man sich wirklich komplett in der Zeit zurückversetzt, auch wenn schon fast so perfekt inszeniert, dass es schon einen gewissen Themenpark-Faktor hat. Es gibt mehrere alte Wassermühlen in der Stadt, aber die prominenteste befand sich recht weit unten an einer Wegbiegung und trägt zur allgemeinen Schönheit des Gebirgsdorfes bei.
Um die unverfälschte Schönheit zu zeigen, sind Stromleitungen hier – völlig untypisch für Japan – komplett unterirdisch verlegt, sodass sie den Blick nicht trüben. Die Häuser bestehen zum Teil aus Ryokans, aber auch aus einigen Geschäften, die etwa klassische Handwerkskunst anboten und natürlich auch einige lokale Köstlichkeiten. Ich gönnte mir auf halber Strecke aber ganz langweilig ein Kakigori – geschabtes und mit Sirup übergossenes Eis.
Nach kurzer Eispause vor dieser malerischen Kulisse, ging es die letzten Schritte zu meiner Unterkunft. Ich war gespannt, ob es da Probleme mit der Verständigung geben könnte, aber die Frau am Empfang hatte tatsächlich ausländische Wurzeln und sprach ausgezeichnetes Englisch. Nach der Zahlung – die war trotzdem nur vor Ort möglich – ging ich dann erstmal auf mein Zimmer. Es war ein altes Ryokan, dass Erinnerungen an Ito erwachen ließ. Obwohl die teuerste Übernachtung meiner Reise, war es das wohl kleinste Zimmer, aber mehr als einen Futon, einen kleinen Tisch und Lademöglichkeit für meine Gerätschaften brauchte es auch nicht. Also Sachen abgestellt und wieder raus, um Magome weiter zu erkunden.
Ein gemütlicher Abendspaziergang
Jetzt ging es noch weiter nach oben, wo ich das Dorf noch nicht gänzlich erkundet hatte. Interessant: Obgleich das Dorf so historisch anmutet, fanden sich vor sämtlichen Gebäuden kleine Laternen, die Umrisse von Pokémon darstellten. Das wurde aber getoppt durch einen waschechten Pokéstop, der sogar ein riesiges Schild im Stile des Mobile Games Pokémon GO hatte. Auf seltsame Art wirkte dies nicht einmal Fehl am Platz. Genau so würde ich mir ein Pokécenter in einem Pokémon-Spiel in einem traditionell angehauchten Japan-Setting vorstellen. Auffällig, aber ohne das Gesamtbild des Dorfes wirklich zu stören.
Aber es ging noch ein Stückchen weiter nach oben. Dort, am Ende des alten Magomes war offenbar die Bushaltestelle für die gelegentlichen Busse, die unter anderem auch mein morgiges Zwischenziel ansteuerten. Aber es befand sich auch ein größerer Park- und Rastplatz mit einigen Tischen und Bänken am Rand mit besten Blick runter auf Magome – aber noch mehr auf das atemberaubende Gebirgspanorama. Zusammen mit der sich allmählich tiefer stehenden Sonne und den Reisfeldern fern jeglicher Großstadt ein überwältigernder Anblick.
Mit dem Blick auf die Berge wurde ich dann um 17 Uhr überrascht, dass es auch hier in dem abgelegenen Örtchen eine Melodie gibt, die einfach zeigen soll, dass die Warnlautsprecher funktionieren aber alles in Ordnung ist. Und es hätte kaum eine passendere Melodie geben können. Der Ausblick wurde so fast schon zu einer cineastischen Realerfahrung.
Von Pokémon erleuchtet
Nicht weniger spannend war die Erfahrung, nachdem ich nochmal ein bisschen auf meinem Tatami-Zimmer war. Mittlerweile war die Sonne ganz untergegangen und ich wollte unbedingt noch einmal raus, um das nächtliche Magome zu erkunden.
Und es lohnte sich. Die zahlreichen Laternen die mir bereits bei Tageslicht auffielen leuchteten jetzt mit Ausnahme der Pokémon-Silhouetten. Noch auffälliger ist da auch das leuchtende Pokéstop-Schild von vorher.
Aber das sind natürlich nur Details. Der Pokémon-Fanservice musste sich trotzdem hinter der allgemeinen Atmosphäre anstellen. Es ist einfach nur schön durch die Stille der Nacht eines solch historisch anmutenden Ortes zu gehen. Die Lichter sind rar und beleuchten den hübschen Steinboden und kein einziges Auto störte den späten Spaziergang. Trotzdem gibt es natürlich Getränkeautomaten und ich habe mich mit einem Getränk und einem zuvor im Konbini gekauften Curry-Pan in die völlig stille Sitzecke eines kleinen Platzes zurückgezogen, ganz erstaunt, dass so wenige rausgingen, um diese ganz besondere Stimmung zu genießen.
Zurück im Ryokan ging es dann noch unter die Dusche, um anschließend in den bereitgestellten Yukata zu schlüpfen – Sexy Yukata-Daddel zeige ich euch natürlich auch. Zum Abschluss des Tages zockte ich noch etwas in Trails Zero auf meiner Switch rein – die ich diesmal nirgends verloren habe. In Japan habe ich irgendwie vor allem japanische Rollenspiele gezockt 😉