Tag 45: Kyoto Teil 3 – Tagesausflug nach Nara

Tag 45: Kyoto Teil 3 – Tagesausflug nach Nara

Es ist schon nicht schlecht, wenn man im Hinterkopf bereits einige mögliche Ziele hat. So erging es mir Tags zuvor, als ich erfolgreich dem Regen den Stinkefinger gezeigt habe, gilt aber ebenso für meinen dritten Tag in Kyoto und Umgebung.

Der Wecker klingelte um 9 Uhr morgens – hoffentlich genug Zeit um an den wichtigen Orten zu sein, wenn die Parade des Aoi Matsuri vorbeikommt. Der Startpunkt ist mit dem imperialen Palast ganz bei mir um die Ecke. Ich ging allerdings noch ein Stückchen weiter zu einm Schrein, wo mehrere Zeremonien stattfinden sollen, ehe die Parade wieder auf die Strecke geht.

Dabei ging ich eine weite Strecke am Kamo-Fluss und konnte ihn bei Tageslicht so richtig genießen. Bei der Vielfalt an Vögeln entschied ich, dass die Flugtiere am Abend zuvor keine Fledermäuse, sondern wirklich kleine Vögel waren, deren Flugmuster bei Tag betrachtet gut passte. Da der Fluss generell sehr flach und an vielen Stellen über künstliche kleine Wasserfälle führt, gibt es neben Brücken tatsächlich auch einige Wege, wo man von Stein zu Stein über den Fluss hüpfen kann, die auch mal mehr, mal weniger rege genutzt wurden.

Auf dem Gelände zum Schrein dann ein bisschen Überraschung. Dort gab es einige Bestuhlung auf Tribünen am Wegesrand, aber niemand der bislang darauf saß – und die Parade sollte nicht mehr so lange auf sich Warten lassen. Ein genauerer Blick auf die Tribünen verriet mir dann aber den Grund: Wegen der zuletzt sehr unsicheren Wettervorhersage wurde das Fest auf den Folgetag verschoben.

Natürlich hätte ich den Tag nutzen können, um Kyoto genauer zu erkunden. Die Tage sind aber sehr limitiert und so hakte ich lieber noch einen weiteren Ort von meiner Liste ab: Nara, eine große Stadt, die noch vor Kyoto einst Hauptstadt Japans war und entsprechend reich an Kultur ist.

Endlich Okonomiyaki

Die gut 40-minütige Fahrt nach Nara per JR-Linie nutzte ich, um ein paar Orte von Interesse auf der Karte zu markieren. Dabei kam mir auch eine Idee, meiner Okonomiyaki-Misere ein Schippchen zu schlagen. Wenn es in und um Gion kaum möglich ist, einen Platz zu bekommen, habe ich vielleicht Glück in Nara.

Ich ging gleich zum nahegelegensten Okonomiyaki-Restaurant mit guter Bewertung und war ein bisschen verblüfft. Obwohl das Restaurant noch gute 2 Stunden offen hatte bis zur Nachmittagspause, war es absolut leer. Ich bestellte mir ein Schweine-Okonomiyaki, packte neben den standardmäßigen Komponenten noch Käse als Topping drauf und gönnte mir ein Asahi-Bier vom Fass dazu. Während ich wartete, bat mich die nette Besitzerin des Restaurants einen Punkt auf einer Weltkarte zu setzen, von wo ich komme. Das tat ich natürlich nur all zu gerne und war erstaunt, dass Hamburg einer der meistbepunkteten Städte war.

Mein Okonomiyaki, quasi eine Art japanische Pizza, bei der die Zutaten aber noch etwas mehr mit dem Teig vermischt sind, wurde in der Küche gemacht, dann aber auf die heiße Platte das Tischgrills gelegt, wo es also noch weiter brutzelte. Mit einem Spartel trennt man Teile des Fladens ab, um sie dann mit Stäbchen aus der Schüssel zu essen. Ich hatte außerdem noch Soßen und Gewürze, mit denen ich nachwürzen konnte. Ich bediente mich bei den schärferen Sachen es und schmeckte einfach himmlisch.

Beim Zahlen bedankte sich die nette Dame sogar mit einem deutschen „Dankeschön“ und fragte auch noch, ob ich weiter Richtung Park wollte und deutete, welchen Weg ich nehmen muss. Einfach herzlich.

Hier kommt ihr zu Surugamachi’s Okonomiyakiya

Mochi und Rehe

Auf dem Weg in Richtung der weitläufigen Park-Anlage ging es erstmal eine Einkaufsstraße bergauf. Dort lag auch ein Stand, den ich bereits aus Fernsehen und YouTube nur all zu gut kannte. Hier gab es Mochi, süße gefüllte Reisküchlein, die dort von Hand gemacht werden. Bekanntheit erlangte der Laden durch die Koordination beim Teig-Schlagen. Einer haut mit einem großen Holzhammer auf den Teig und zwischen jeden Schlag greift ein andere den Teig und legt ihn wieder zurecht. Dass bei dem Tempo die Finger nicht getroffen werden ist beeindruckend.

Da es mittlerweile Scheiben gibt (Corona und so) und die Traube um die Performance größer war als für die eigentlichen Mochis, stell ich euch lieber ein Video rein, dass nicht von mir ist. Ich nahm mir ein Dreierpack mit, dass ich dann später gemütlich im Hotel schnabulieren kann.

Weiter ging es dann zu einem ersten Tempel hoch, der zwar schon echt hübsch war, aber bei weitem noch nicht das zu bieten hat, was tiefer im Park noch auf mich wartet. In Tokyo wäre das aber durchaus schon eine amtliche Tempelanlage gewesen. Von dort den Weg weiter folgend, sah ich dann auch schon die ersten Rehe.

Nara ist dafür bekannt, dass sich im Park und auch etwas drum herum, hunderte von Rehe frei bewegen. Sie sind an sich wild, aber schon stark an die Menschen angepasst – und leider etwas abhängig von den Crackern, die man an allen Ecken kaufen kann. Sie haben sogar gelernt, sich zu verbeugen für ihre Leibspeise. Viele Rehe sind aber auch so gierig, dass sie auf das verbeugen verzichten und aufdringlich werden. Erstaunlich war, dass sie die offen rumliegenden Auslagen der Cracker-Händler nicht wegfuttern. Ich selbst hatte auf den Kauf verzichtet, weil ich eher froh war, dass einige Rehe auch noch am Grasen waren – was für sie auch deutlich gesünder ist.

Bergsteigen mit Rehen

Während der Park aus eher flachen Wiesen bestand, lockte mich in der Ferne der Wakakusa-yama, ein grasbewachsener, kleiner Berg von 342 Metern Höhe. Ich hatte schon zuvor davon gehört, dass es einmal in Jahr ein Fest gibt, bei dem das Gras des Berges angezündet und quasi der ganze Berg in Flammen steht. Darum vermutlich auch das sehr kurz gemähte Gras am Fuße, um ein übergreifen des Feuers zu verhindern.

Diesmal musste ich tatsächlich mal etwas zahlen fürs „Bergsteigen“, wenn auch nur 150 Yen (etwas über einen Euro). Noch während ich die unzähligen Treppenstufen hinaufstieg unkte ich noch zu mir selbst, dass oben sicherlich auch Rehe die Aussicht genießen. Und was soll ich sagen: Als ich den Treppenteil hinter mir hatte und auf etwas sanfter ansteigende Wiesen auf dem Bergrücken kam, standen und lagen dort nicht nur Menschen, sondern auch allerlei Rehe. Die Wiesenfläche bot aber auch gut Platz, es sich selbst gemütlich zu machen, wenn man nicht sogar lieber die zahlreichen Bänke in Anspruch nahm. Die Aussicht war außerdem einfach überwältigend gut, dafür dass es ein vergleichsweise kleiner Berg ist. Aber es kommt dann doch auch manchmal auf die Umgebung an und wie weit man blicken kann.

Ich unterschätzte von dort, wie viel Steigung doch noch der Bergrücken selbst in Richtung höchsten Punkt hatte. Die recht kurzgemähte Wiese zum Gehen hatte ein bisschen was von einer Skipiste in ihrer Gestaltung und so ging es doch auch teils recht steil nach oben, was auch nicht weniger anstrengte als die Treppen zuvor. Dann gab es tatsächlich auch noch ein paar weitere Treppen, bis ich am höchsten Punkt anlangte – wo überraschenderweise erneut die Rehe schon vor mir waren. Die sind hier einfach überall! Irgendwie genoss ich die Rehe hier aber mehr. Sie aßen lieber die natürliche Nahrung und es war insgesamt ruhiger. Außerdem ist der Ausblick im Zusammenhang mit den Tieren einfach nochmal etwas anderes.

Auf dem Weg hinunter sah ich aber nicht nur Rehe, sondern auch jemanden, der auf der langen Wiese Gitarre spielte und bereits ein paar Zuhörer um sich versammelte. Ich gönnte mir auch noch eine ganz kurze Pause zu den Klängen, bevor es dann die Treppen zurück Richtung Park ging.

Die große Tempel-Tour

Nach dem Abstieg war der erste Getränkeautomat für mich reserviert. Ich sollte mir angewöhnen, für meine Wanderungen vorher Getränke zu kaufen, aber so lang war der Bergausflug auch nicht. Dennoch war das Getränk schnell leer, noch bevor ich auf meiner Route am Rande des Parks die ersten Schreine erreiche. Hier kann ich kaum benennen, wo ich genau war.

Allein die erste Station bestand aus mehreren Schreinen wie den Wakamiya-Schrein. Jeder für sich war eher unspektakulär, aber zusammen waren sie dann schon ganz ansehnlich. Hier gab es eine richtig gigantische Tempelanlage Nigatsudo mit Mauern und zahlreichen Gebäuden, die ohne Probleme Kulisse für einen historischen Film sein könnten.

Ein besonders prunkvolles Gebäude das ohnehin schon erhöht Stand, hatte auch einen betretbaren Balkon mit unglaublich tollen Ausblick auf Nara – natürlich nicht so gut wie auf dem Berg, aber das lässt sich ja auch schwer vergleichen. Aber auch die ganze Anlage für sich ist einfach ein durchgehendes Postkartenmotiv.

Von dort aus führte zwischen den Mauern eine gewundene Straße nach unten zum bekanntesten Gebäude Naras: Dem Todai-Ji Daibutsuden: Die Halle des großen Buddhas. Sie wurde 752 errichtet, musste aber zuletzt 1692 neu errichtet werden. Obwohl die jetzige Form wegen damaliger Geldnot deutlich „kleiner“ als das Original ist, hielt sie bis vor nicht all zu langer Zeit den Rekord für das größte Holzgebäude der Welt.

Im Todai-ji befindet sich zudem die mit 15 Metern größte bronzene Buddhastatue der Welt, die von zwei weiteren enorm großen Bodhisattvas flankiert wird. Das sorgt für ein kleines Dilemma, ob man ein Foto möglichst ohne Personen im Bild haben möchte oder eines, wo die Dimensionen durch Menschen annähernd deutlich werden. So oder so werden Bilder nicht der Wucht gerecht, wenn man tatsächlich davor steht. Das ist etwas, das man einfach selbst erlebt haben muss. Aber auch die anderen Figuren, sowie Modelle der Gebäude sind durchaus faszinierend.

Und dann kam der Regen

Der Wetterumschwung hatte sich zumindest leicht angekündigt. Als ich in die große Buddha-Halle ging sah ich schon erste dunkle Wolken am Himmel. Als ich rauskam hörte ich allerdings Donnergrollen und machte mich so langsam mal auf den Weg zurück Richtung Station.

Das Grauen kam dann aber eher aus anderer Richtung. Wo sich die Wolken über Nara selbst etwas lichteten, zog von anderer Seite neuer Regen auf und überfiel mich gute 10 Minuten, bevor ich beim Bahnhof ankam. Zunächst war es noch halbwegs erträglich, aber dann öffneten sich die Wolken vollkommen und ich konnte mich noch gerade unterstellen, bevor es aus vollen Kübel kam.

Als es nur noch eine stärkerer Regen war, verließ ich aber das Dach, um meinen geplanten Zug zurück zu erwischen. Auch wenn ich da nur noch 3-4 Minuten bis zum Bahnhof brauchte, reichte es aus, um ordentlich nass dann in der Bahn zu sitzen. Dort merkte ich auch, wie lokal das ganze war. Eine Station weiter hatte der Regen nämlich bereits gänzlich aufgehört.

Auf einen langen Fußweg verzichtete ich trotz einem trockenen Kyoto dennoch und nahm den besten Umstieg um an die nahegelegendste U-Bahn-Station zu meinem Hotel zu kommen. Gut getrocknet und die ersten 1.000 Wörter dieses Tagebuchs geschrieben ging es dann essen. Erneut fiel mir auf, wie unglücklich die Situation um Gion ist.

Kyoto hat ein so schönes, historisch anmutendes Viertel, aber effektiv ist es komplett in der Hand der Touristen. Da sich in der Gegend Unmengen Hotels befinden – ich bekenne mich hier auch schuldig – ändert sich der Zustand auch am Abend nicht. Mir tun etwas die Bewohner leid, die es seit der Grenzöffnung deutlich schwerer haben müssen, ungestört irgendwo in dieser Gegend was zu unternehmen.

Beim Besuch des nächsten Konbinis – natürlich auch fast nur Ausländer als Kunden – hatte ich leider vergessen Sonnenspray zu holen. Das liegt nämlich noch im Airbnb und Nara hat mir doch etwas mehr Sonne verpasst, wenn auch ohne akuten Sonnenbrand. Da muss ich wohl am nächsten Tag dran denken.

Zurück im Hotel gönne ich mir dann ein kleines Abendessen vom Konbini, das von den Mochi aus Nara gekrönt wird. Das Handwerk ist doch ein anderes als in den industriellen Mochis.

Eine Hand hält einen angebissenen Mochi. Dahinter sind zwei weitere Mochi in der Verpackung.
Zurück im Hotel gönne ich mir am Abend die leckeren Mochi.

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