Tag 23: Izu Teil 3 – Die Jogasaki-Küste

Tag 23: Izu Teil 3 – Die Jogasaki-Küste

Der Sonntag bedeutete einen Abschied von der Izu-Insel. Doch zuvor war noch reichlich Programm angesagt. Der Morgen fing gemütlich an mit einem Brötchen vom Konbini und einem kleinen Energydrink. Dann war leider auch schon packen angesagt. Kleidungsstücke und Kabel zählte ich lieber nochmal doppelt durch, ehe sie im Rucksack landeten.

An dieser Stelle war ich allerdings froh, dass es etwas kühler war. So konnte ich nämlich ganz bequem mein Pocket WiFi in der Jacken-Innentasche verstauen und beim Checkout den Rucksack nochmal zur sicheren Verwahrung abgeben. Nach den letzten beiden Tagen fühlte es sich zuerst etwas falsch an, so völlig ohne Rucksack unterwegs zu sein, aber es war eine angenehme Abwechslung.

Da ich noch etwas Zeit bis zum Zug hatte, ging ich noch etwas durch Ito. Relativ in der Nähe meines Hostels sah ich Rauch aufsteigen, der etwas zu stark für ein Onsen wirkte. Tatsächlich war da ein großer Feuerwehreinsatz zwischen Hostel und Bahnhof. Trotz der vielen Einsatzwagen und weiträumiger Absperrung wirkte alles aber sehr entspannt und ich kann mich nicht daran erinnern, großartig Sirenen gehört zu haben..

Gerade noch rechtzeitig kam mir in den Sinn, dass mir Google Maps die Verbindung vom Bahnhof Minato-Ito angezeigt hatte und nicht dem Hauptbahnhof. Das sind gut 3-4 Minuten Unterschied. Ich musste etwas zum Bahnhof laufen, bekam aber gerade noch rechtzeitig den Zug. Erneut ging es zur kleinen Station Futo, von wo aus ich am ersten Tag der Izu-Reise zum Omuro gestiefelt bin. Diesmal sollte es von der Station nur zur Küste gehen, was eindeutig angenehmer war – vor allem ohne den schweren Rucksack.

Von Futo aus, konnte ich den äußersten Einstiegspunkt des Pfades an der Jogasaki-Küste nehmen. Bis dahin war es aber dennoch ein kleiner Weg, der mich unter anderem am kleinen Hafen von Futo vorbeiführte, der unter anderem auch Tauchmöglichkeiten bot. Schon auf diesem Weg genoss ich den Blick auf die raue, vom Vulkan Omuro geformte Küste – ja, es war diese unscheinbar grüne Vulkan, der die zerklüftete Küste der folgenden Reisedokumentation formte. Nichts mit Hügel im Teletubbie-Land!

Der erste Pfad – zwischen Idylle und Tourismus

Erneut ging es also zur Wanderung in die Natur. Erneut spielen Felsen und Wasser eine Rolle. Doch nach der Wasserfallidylle im Inland von Kawazu, war die raue Jogasaki-Küste trotzdem ein ziemlicher Kontrast. Der Pfad hatte ebenso ein ziemliches auf und ab und führte immer wieder auf kleine Landzungen, von denen man einen tollen Blick auf Buchten und vulkanische Klippen hatte, die von den unbarmherzigen Wellen des Meers immer wieder gepeitscht wurden.

Aber es war nicht nur die Küste, die schön war. Der ganze Weg wirkte einfach abwechslungsreich mit unterschiedlichen Wegen von hübsch gepflastert bis Trampelpfad. Die meiste Zeit wirkte die Umgebung dabei aber für eine bekannte Wanderroute angenehm naturbelassen.

Ähnlich wie das Rauschen des Kawazu-Flusses und seinen Wasserfällen begleitete einen hier ständig das Meeresrauschen. Es gab auch immer wieder Gelegenheiten selbst auf die teils grobporigen vulkanischen Steine zu gehen. Einige stellen waren deutlich umzäunt, andere waren doch ziemlich frei an der Klippe. An einem Spot der auch größere Menschenmassen sammelten waren manche Gäste besonders mutig und stellten sich sehr nah an den Abgrund.

Mir war das zu gefährlich. Die Felsen waren sehr uneben ich wollte schon beim Weg dorthin nicht unbedingt stolpern. Ich vermute teils ist es abhängig davon, woher man kommt und wie sehr man solche Abgründe gewöhnt ist. Ich habe ja schon während meiner Takaosan-Besteigung festgestellt wie sicher die Schritte werden und mit welchem Selbstverständnis man irgendwann den richtigen Pfad ausmacht. Trotzdem wirkte nicht alle dieser Besucher mit dem richtigen Schuhwerk für solche Kletterpartien ausgestattet. Ich hatte immerhin meine guten Geländeschuhe, die für diesen Wochenendtrip wirklich die perfekte Wahl waren.

Eine riesige Felsklippe auf der oben Menschen stehen.
Glaubt mir, die Bilder werden der Gewalt dieser Küste kaum gerecht.

Etwas weiter war dann das Highlight der Wanderroute: Eine riesige Hängebrücke – 23 Meter lang und in 48 Meter Höhe über dem Wasser. Der Anblick zwischen den steilen Klippen hinab ins Meer ist schon überwältigend. Ich bereute etwas, dass ich auf diesen Trip keine Schlaufe für mein Smartphone mitgenommen hatte. An tiefen Abgründen habe ich immer Angst zu nah mit meinem Smartphone heranzugehen, weil es einem ja aus der Hand fallen könnte. So kann ich euch keine direkten Fotos über den Brückenrand hinab geben, wie ich es gerne hätte.

Auf der anderen Seite der Brücke stand dann außerdem noch ein großer Leuchtturm. Dahinter gab es einen kleinen Imbiss, bei dem ich mir ein aufgewärmtes Currybrötchen als Snack gönnte. Hinter dem Leuchtturm war auch ein großer Parkplatz. Es war fast schon etwas schade, dass ein Großteil der Besucher nur für die Brücke und ein paar riskante Fotos an der Klippe zu kommen schienen. Auf der anderen Seite bin ich aber auch ganz froh, dass davor und danach wieder deutlich weniger los war, obwohl es weiterhin atemberaubende Ausblicke gab. So genoss ich also auch noch den letzten Abschnitt des Wanderweges mit deutlich weniger Verkehr, bis ich erneut auf einen Parkplatz ankam. An diesem befand sich unter anderem auch ein Tempel und ein großer Blumenpark, für den ich dann aber keine 1.000 Yen ausgeben wollte.

Weil ich nicht genug bekomme…

Ich hatte schon zuvor mehr oder weniger geplant, die ganze Wanderroute zu gehen, um dann in Izu-Kogen wieder an die Bahn zu kommen (ähnlich wie beim Omuroyama). Darum ging es auf den nächsten Wanderweg.

Dieser nannte sich Nature Study Course (Naturstudienpfad) und war tatsächlich nicht ganz so fokusiert auf die Küste. Zwar gab es trotzdem immer wieder hübsche Ausblicke, doch die Strecke war deutlich anspruchsvoller durch die Natur ausgelegt und führte vor allem über sehr naturbelassenes, unebenenes Vulkangestein mit vielen vielen Stufen, die zu Teilen auch aus diesem Stein gehauen sind.

Gelegentlich war der Pfad auch richtig schmal und eng bewachsen, aber trotzdem immer klar erkennbar, wo der Weg eigentlich lang geht. Immer mal wieder zweigte sich ein Weg zu einem Aussichtspunkt an der Küste ab. Der Pfad war deutlich gewundener als die erste Strecke und eines der ersten Wegweiser zeigte eine zweite Hängebrücke in 6 Kilometern an. 6 Kilometer können echt viel sein, wenn der Untergrund so uneben und ein ständiges auf und ab ist.

Nimmt man das schwere Gepäck vom Anreisetag weg, war dies wohl die schwierigste Wanderung meiner drei Tage und erinnerte vom Pensum stark an meine Takaosan-Besteigung. Nur mit dem Unterschied, dass ich schon zwei Tage mit vielen Höhenmetern in den Beinen hatte. Trotzdem hatte der Pfad etwas. Er war im Vergleich zur einfacheren Pfad mit der prominenten Brücke wohl nur von den wenigsten genutzt. Nur alle 10 bis 20 Minuten sah ich mal einen anderen Wanderer. Das war wenig genug, um sich mit der Natur komplett verbunden zu fühlen, aber genug „Verkehr“, dass man sich nicht ganz verloren fühlte, sollte doch mal etwas passieren.

Die zweite Hängebrücke

Zum Glück passierte aber nichts, außer dass mich das Gelände mächtig ins Schwitzen brachte. Es kam sogar die Sonne raus und die Temperaturen wurden auch etwas höher als angesagt, sodass die Jacke einfach mal nur umgebunden wurde – so war es schon viel besser!

Schließlich gelangte ich dann auch an die zweite Hängebrücke. Ich hätte eigentlich gedacht, dass sie eher unscheinbar gegenüber der ersten Brücke ist. Tatsächlich war sie aber ähnlich hoch und lang und man spürte sogar ein bisschen mehr Schwingung als auf ihrem bekannteren Geschwisterchen. Sie ließ sich halt nur nicht so einfach erreichen. Hier war kein Parkplatz in unmittelbarer Nähe, sondern ein bisschen Wandern angesagt, auch vom anderen Ende der Strecke.

Das merkte ich, als ich dachte, nach der Brücke käme ich rechts abbiegend wieder schneller in Richtung Zivilisation. Allerdings war das nur eine Alternativroute um die Bucht, mit der man die Brücke theoretisch auch umgehen kann. So machte ich eine kleine Runde und ging dann nochmal über die Brücke – Spaß macht es ja.

Immerhin schilderten mir die Wegweise den nahen Hafen auch mit nicht einmal einem Kilometer aus. Die letzte Strecke war auch nicht mehr ganz so von Felsen und Wurzeln durchzogen, auch wenn es nochmal einen sehr anstrengenden Treppensatz gab, bei dem ich merkte, dass ich danach auch keinen weiteren Wanderweg einschlagen würde.

Wie plötzlich der Weg dann aber plötzlich zwischen Häusern an einer Straße endete überraschte mich schon. Da war kein touristischer Parkplatz und nicht einmal ein Getränkeautomat. Diese Route ist wohl wirklich für Enthusiasten gemacht und weniger für den Touristen. Viel Zeit für Getränkesuche blieb mir aber nicht. Ich schaute auf dem Smartphone nach und hatte gut 20 Minuten um nach Izu-Kogen zu kommen. Auf dem Weg fand ich aber natürlich einen Getränkeautomaten und hatte so eine Erfrischung für die Fahrt und kam sogar mit 3 Minuten Puffer noch am Bahnhof an.

Ein letzter Besuch in Ito

Ein letztes Mal kam ich in Ito an. Mein erster Weg vom Bahnhof galt Matsuya für meine erste komplette Mahlzeit des Tages. Es ist eigentlich nur eine günstige Gyudon-Kette, aber für wenig Geld bekommt man da ein vollwertiges Essen. Ich nahm die Gyudon mit Käse. Ein Reisgericht mit Käse hätte ich mir vorher nicht vorstellen können, aber zu Gyudon passt das echt überraschend gut.

Es war mein drittes Gyudon in Japan und das erste Mal, dass ich bewusst zu den Stäbchen griff. Beim ersten Mal wurde mir optional ein Göffel (eine Mischung aus Gabel und Löffel gegeben), beim zweiten Mal missbrauchte ich den Currylöffel einfach zum Essen meiner Gyudon. Jetzt fühlte ich mich aber erfahren genug an den Stäbchen um auch diese wundervolle Schüssel Reis mit Rindfleisch und Käse mit Stäbchen zu essen. Überraschenderweise hatte ich nicht den Eindruck, dass es mich mehr Zeit kostete als mit dem etwas flachen Currylöffel beim letzten Mal. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich selbst ohne direktes Abschauen von anderen an neue Gegebenheiten anpasst.

Anschließend ging es entlang des Hostels nochmal Richtung Strand. Auf dem Weg wurde es 17 Uhr und ich hörte den Klang der Melodie, die durch alle Lautsprecher klingt um zu zeigen, dass sie funktionieren aber an diesem Tag kein Grund bestand Alarm zu schlagen. In Ito wird amüsanterweise ein Schulglocken-Sound verwendet.

An einem Getränkeautomaten holte ich mir nochmal ein Getränk und setzte mich damit an einen Ausleger zum Wasser. Ich war nicht viel direkt in Ito, doch wie schon am ersten Tag wurden meine Augen leicht wässrig. Irgendwas war an dieser Aussicht, dass mich sentimental werden ließ, vor allem in Anbetracht des baldigen Abschieds.

Dann frischte der Wind allerdings etwas auf, und bevor ich doch noch Opfer überschwappender Wellen wurde, ging ich wieder zum Strand und zurück in die Stadt. Dort sah ich leider auch die Folgen des Feuers am Morgen. Es traf offenbar mehrere Gebäude in einer Einkaufsstraße. Mittlerweile ist wieder ziemlicher Alltag eingekehrt, auch wenn der Bereich abgesperrt ist und Einsatzkräfte einen um die Engstelle herumlotsen. Ich hoffe an dieser Stelle, dass keine Menschen zu Schaden gekommen sind, sondern “nur” die Gebäude erneuert werden müssen – etwas das in Japan ziemlich üblich ist.

Abschied von Ito

Eine halbe Stunde vor Abfahrt ging es dann zurück ins Hostel, um mein Gepäck abzuholen. Ich bedankte mich natürlich herzlich für diese tolle Unterkunft und hielt noch etwas Smalltalk mit dem Personal.

Wie ich schon auf Bildern gesehen habe, schwärmte die Frau, die mich bereits am ersten Tag eingewiesen hat von der Kirschblüte Ende Februar auf Izu, vor allem in Kawazu, wo ich am zweiten Tag war. Sollte ich es jemals in dieser Zeit wieder nach Japan schaffen, würde ich garantiert wieder Izu besuchen. Sollten die Bilder auch nur zu Hälfte stimmen, ist Hanami in Kawazu der absolute Wahnsinn.

Als ich schließlich am Bahnhof ankam, war es schon fast ganz dunkel. Als ich in den Zug stieg, konnte man nicht mehr wirklich viel von außen sehen. Das machte die Rückfahrt zwar ein bisschen langweiliger, auf der anderen Seite war ich ganz froh, nicht sehen zu müssen, was ich nun zurückließ. Das Wochenende war wirklich ein unglaublich toller Ausflug und ich kann jedem die Reise nach Izu nur wärmstens ans Herz legen.

Der Bahnhof von Ito bei Sonnenuntergang. Die Palmen vorm Bahnhof werden bereits beleuchtet und ein Auto fährt vorbei.
Als ich den Bahnhof von Ito erreiche ist es fast schon ganz dunkel. Ich hatte hier eine echt schöne Zeit.

Diesmal verzichtete ich auf den Shinkansen. Statt etwas über 4.000 Yen kam ich dadurch insgesamt bei knapp unter 2.000 Yen für die Reise raus. Ich hatte hier aber auch den Vorteil, dass der langsamere Zug nach Shinjuku ging, was deutlich näher an meiner Unterkunft liegt. Je mehr ihr im Osten Tokyos unterkommt, desto mehr lohnt sich schon der Shinkansen für die Fahrt zwischen Atami und Tokyo.

An meiner Heimatstation angekommen ging es nur noch kurz zum 7-Eleven für einen kleinen Snack zum Abend, um dann endlich wieder Zuhause anzukommen. Ich freute mich auf die vertraute Umgebung, doch ein bisschen vermisste ich die Halbinsel, die ich vor allem beim schönsten Sonnenschein und mit Blick auf den Fuji vom Omuroyama erlebt hätte. Irgendwas in mir sagt mir aber, dass ich irgendwann zurückkehren werde.

Schritte: 38.349

Anstiegsmeter: 566,7m

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.