Tag 8: Tagesausflug nach Enoshima
Wie feiert man am besten sein Einwöchiges in Japan? Man gönnt sich etwas Urlaub auf der Insel. In meinem Fall übernachte ich dort nicht, die Insel heißt Enoshima und sie ist bestens von Tokyo erreichbar.
Ein kleines bisschen Lotterie war bei diesem Trip allerdings schon dabei. Die Wettervorhersagen für Japan sind nicht ganz so einfach zu bekommen und waren für diesen Tag ein bisschen gegensätzlich. Zugegeben habe ich mehr für Tokyo geschaut, obwohl meine Reisepläne ein gutes Stück der Küste entlang gingen. Da das Niederschlagsradar am Morgen aber gut aussah, entschied ich mich, den Trip nach Enoshima anzugehen. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte.
Wie bereits der Takaosan, gehört auch Enoshima zu einen der beliebtesten Tagesausflüge der Tokyoter. Es ist eine kleine Insel an der Küste der Stadt Fujisawa, die bequem über eine Brücke zu erreichen ist. Mit dem Zug ist es von Shinjuku nur etwas mehr als eine Stunde und kostet pro Strecke knapp 650 Yen (~4,50 Euro). Es gibt auch ein Spezialticket, dass Hin und Rückfahrt, sowie unbegrenzte Reisen zwischen Enoshima und Kamakura ermöglicht, sowie Eintritt zu manchen Attraktionen beinhaltet – für mich ist die Suica-Card mittlerweile aber so bequem geworden, dass ich bewusst darauf verzichtet habe.
Reif für die Insel
Ich muss zugeben, dass ich zumindest versucht war den Weg nach Shinjuku wieder zu gehen. Aber da ich sicherlich noch genug Strecke zurücklegen würde, gönnte ich mir doch mal den Luxus der Bahnfahrt dorthin. Es ist schön wie mittlerweile die Standard-Strecken Gewohnheit werden und keiner großen Hilfe durch Apps bedürfen. Langsam fühle ich mich richtig eingelebt in Japan. Auch das tragen des Rucksacks auf dem Bauch bei volleren Bahnen wird immer selbstverständlicher für mich.
Auf der Fahrt nach Fujisawa, der Stadt vor Enoshima bekomme ich zum Glück einen Sitzplatz. Allerdings ist auch das ein relatives Vergnügen. Eine Station weiter nimmt jemand neben mir Platz, der quasi beim Hinsetzen direkt in den Schlafmodus verfällt und sich leicht an mich anlehnt. Keine Ahnung, ob er die Nacht gearbeitet hat oder noch nicht sorecht in den Morgen gefunden hat. Trotzdem sehr überraschend wie schnell jemand den Schalter in der Bahn ausknipsen kann. Ich bin dennoch ganz froh, dass er nicht die ganze Fahrt an mir hängt.
In Fujisawa muss ich nochmal für 4 kleine Stationen umsteigen in eine lokale Bahn der selben Gesellschaft. Ich bin ganz froh, dass nicht die ganze vorige Bahn dorthin umsteigt. An einem Samstag hatte ich deutlich mehr Touristen erwartet.
Angekommen am Bahnhof gehe ich nochmal einen kleinen Umweg. An den Docks bekomme ich nämlich noch ein paar richtig schöne Ausblicke auf die Insel, die ich nur zu gerne vorher aus der Ferne fotografiere. Außerdem gibt es dort an den Getränkeautomaten recht günstige Getränke. Da gönne ich mir gerne noch ein Fläschchen Traubensaft bevor das eigentliche Abenteuer beginnt.
Auffällig: Die Stadt Fujisawa fühlte sich ein bisschen nach Hawaii an. Ich sah einige Palmen, eine ganze Reihe Surf-Shops und sogar Restaurants die namentlich bereits hawaiianisch anmuteten. Es war schon etwas anderes als Tokyo.
Willkommen auf Enoshima
Auch wenn die Bahn nicht ganz so voll war, wie ich zuvor befürchtete war die Brücke zur Insel rappelvoll. Die Menschenmassen strömten geradezu zur kleinen Insel. So war schon die Überquerung der Brücke ein kleines Erlebnis. Ich war mir noch lange Zeit unsicher, ob Enoshima überhaupt eine Insel oder eine Halbinsel ist. Als sich irgendwann unterhalb der Brücke Wasser zeigte, entschied ich mich aber dafür, dass es eine Insel ist.
Der Bereich nach der Brücke ist natürlich Enoshimas touristisches Herzstück. Eine große Einkaufsstraße mit einigen Essensständen die bergauf führt war zu jeder Zeit immer stark begehrt. Hier gab es diverse kleine Snacks, aber auch ein paar größere Speisen und Läden von Souvenirs bis hin zu überraschendem Krimskrams.
Die Straße endete an einer Treppe zu einem großen roten Torii, dem Tor eines Schreines. Es ist der erste und größte von drei Schreinen der Insel. Hier machte ich erstmals das ganze Ritual mit. Ich habe mich also brav beim Torii verbeugt und mit dem Wasser erst die linke, dann die rechte und schließlich auch meinen Mund gereinigt. Etwas komisch, weil an sich noch immer darauf hingewiesen wird, eine Maske beim Schrein zu tragen.
Dort angekommen ging ich zum mir erscheinenden Hauptschrein. Zum Glück habe ich mich vorher informiert und warf wie meist üblich eine 5 Yen-Münze ein, verbeugte mich zwei Male, klatsche zwei Mal in die Hände und betete. Danach nochmal verbeugen und ich hatte meinen ersten richtigen Schreinbesuch abgehakt. Spannend war, dass dort auch gerade Vorführungen mit dem Katana stattfanden. Die schaute ich mir gerne für ein kleines Weilchen an. Es ging nicht nur um Kampftechnik, sondern auch um eine gewisse Etikette in den Abläufen.
Ruhige Orte auf der Touristeninsel
Enoshima ist touristisch durch und durch – da muss man sich nichts vormachen. Trotzdem gab es am zweiten Schrein den ich besuchte Momente, in denen es fast vergessen war. Etwas oberhalb befand sich eine Grünanlage, die zumindest zu dieser eher frühen Zeit wenig besucht war. Ich sah schöne Natur mit Sitzgelegenheiten und ich war dennoch der einzige dort.
An einem öffentliche WC entdeckte ich sogar ein japanisches Eichhörnchen und konnte mich leise nähern. Vorsichtig blieb ich dennoch auf Abstand und baute einfach auf den 4-fach-Zoom meiner Kamera. Trotzdem hatte ich mal wieder den Eindruck, dass die japanische Tierwelt um einiges entspannter ist, wenn sich Menschen näher. In Deutschland sind mir Eichhörnchen bei ähnlicher Annäherung viel zu schnell entflohen.
Beim zweiten Schrein gab es aber auch eine Glocke. Der Sage nach lebte am Meer ein böser, fünfköpfiger Drache, der sich allerdings in eine Jungfrau von Enoshima verliebte und seine Boshaftigkeit fallen ließ, um mit seiner großen Liebe vereint sein zu können. Das gemeinsame Läuten der Glocke soll die Liebe zweier Personen für immer währen lassen.
In Höhlen und Tempelgebäuden
Ein Weg auf Enoshima führt auch die zerklüftete Seite der Insel entlang, wo Wellen herrlich gegen die nackten Felsen peitschen. Es ist nicht nur ein interessanter Gegensatz zum sonst vielen Grün der Insel, sondern zugleich auch der Weg zu den beiden Höhlen, die man sich anschauen kann – gegen Eintritt versteht sich.
Ich zahlte aber gerne die 500 Yen – ohnehin bin ich bislang jeden Tag weit unter meinem gesetzten Tagesbudget geblieben und da machte auch dieser Tagesausflug keine Ausnahme. Für die erste Höhle bekam man eine kleine Kerze in die Hand, die einen den Weg erhellte. Ein weiter Weg war es aber nicht. Immerhin handelt es sich um eine Insel, nicht um ein Höhlensystem auf dem Festland. Trotzdem hatte die Höhle etwas – vor allem eine sehr niedrige Decke. Da mussten sich selbst die Japaner mächtig vorbeugen und kamen kaum aneinander vorbei. Zur Steinhauerei in der Höhle.
In die zweite Höhle ging es ohne Kerze. Hier gab es eigentlich nur eine sehenswürdigkeiten. Eine Art Drachenschrein der schaurig beleuchtet war und brülle, wenn man zweimal in die Hände klatscht. Drachen spielen auf Enoshima eine ganz besonders große Rolle. Man sieht überall das Zeichen, das Gamer wohl gerne als Triforce bezeichnen würden. Drei aufeinander gestapelte Dreiecke. Es handelt sich dabei allerdings um drei Schuppen des Schutzdrachen von Enoshima, die er einem Mitglied der Hojo-Familie hinterließ nachdem er 21 Tage für den Wohlstand seiner Familie betete. Anschließend wurden diese drei Schuppen das Wappen des Hojo-Clans, einer bekannten Samurai-Familie.
Apropos Gebete: In einem Schrein konnte man auch ein Gebäude betreten, in dem wohl auch Zeremonien abgehalten werden – vorher natürlich Schuhe ausziehen. Zunächst war ich mir unsicher, weil zu dem Zeitpunkt niemand anderes drin war. Aber als kurze Zeit später auch japanische Besucher reinkamen, waren die Sorgen unberechtigt.
Enoshimas Wohnviertel & Fujisawa erkunden
Wegen so manchen Laternen reizte es mich, Enoshima auch bei Dunkelheit zu sehen. Um mir die Zeit bis dahin zu vertreiben, ging ich zu einen Teil der Insel, die mehr nach Wohngegend aussah. Ich habe zudem eine Schwäche für Wohngegenden, die steil an Berghängen emporwachsen. Das bedeutete enge Wege und Treppen und war sehr charmant. Übrigens auch ein Geheimtipp für günstigere Getränke. Der Getränkeautomat nahe des Spielplatz spuckte mir eine Calpis Soda für 100 Yen aus.
All zu lange wollte ich die Bewohner aber auch nicht mit meiner Anwesenheit behelligen, sondern entschied mich meine Erkundung außerhalb der Insel auszuweiten. Fujisawa, die Stadt von dessen Küste die Brücke auf die Insel führt, hatte mich nämlich auf dem Hinweg auch schon neugierig gemacht.
Ich kann jedem empfehlen, mal solche kleinen Umwege zu machen, wenn es die Zeit erlaubt. Fujisawa hatte für mich irgendwie leichte Hawaii-Vibes. Die Bucht ist offenbar beliebt für Surfer und überall findet man Surfshops. Genauer gesagt, sah ich viel mehr Surfläden als Konbinis, die hier deutlich seltener als in Tokyo waren. Am frühen Abend sah ich außerdem sehr viele Anwohner in ihrer Surfkleidung auf dem Fahrrad nach Hause radeln. Auch auf Balkonen entdeckte man oft Surfbretter. In Strandnähe gibt es außerdem auch einige Restaurants, die vom Namen etwas hawaiianischer anmuten.
Durch die Stadt fuhr übrigens auch eine alte Straßenbahn. Diese führte unter anderem direkt an der Küste entlang, aber auch ein bisschen Stadteinwärts. Ein Bahnübergang muss ein bekannter Anime-Spot gewesen sein. Zumindest kann ich mir sonst nicht erklären, warum derart viele Menschen mit Kamera bewaffnet rumstanden ohne dass es da annähernd eine Sehenswürdigkeit gab.
Und dann kam doch der Regen
Dafür dass ich vor meinem Trip sehr widersprüchliche Wettervorhersagen hatte, hatte ich echt Glück. Die meiste Zeit war es angenehm sonnig mit nur leichten Wolken. Als ich langsam wieder Richtung Enoshima wollte, sah ich dann aber doch den Himmel immer mehr zuziehen und verfolgte das Niederschlagsradar. Was eigentlich nördlich an Fujisawa vorbeiging, breitete sich nun rasend schnell Richtung Enoshima aus. Als ich mich darum doch verfrüht zum Bahnhof aufmachte, fielen auch schon die ersten zaghaften Tropfen.
Dafür war es in Tokyo gerade erst wieder trocken, als ich in Shinjuku ankam. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich noch etwas durch das Cyberpunk-Shinjuku zu tummeln und kehrte dort in einem CoCo Ichibanya ein. Vom Feeling war es ganz anders als der CoCo in meiner Nachbarschaft. Im Shinjuku-CoCo hörte man einen wilden Mischmasch aller Sprachen, bei dem nur vereinzelt Japanisch zu hören war. In Suginami war ich der einzige Gaijin bei meinem Curry-Besuch.
Als ich nach Hause kam, war ich nun wirklich vollständige 7 Tage in Japan. Mittlerweile trage ich den Rucksack in volleren Bahnen vor dem Bauch und einige Strecken, zu Fuß wie auch mit der Bahn sind schon im Kopf und brauchen keine zusätzliche Navigation per App. Auch das Bezahlen an den Kassen läuft fluffig, jetzt wo ich mich an Einzahlautomaten und die üblichen Fragen beim Einkauf halbwegs gewöhnt habe. Kurzum: Ich bin schnell in Japan angekommen.
Schrittzahl: 30.749