Tag 5: Bergwanderung auf den Takaosan

Tag 5: Bergwanderung auf den Takaosan

Da das Wetter erneut richtig gut sein sollte, entschied ich mich auf den Takaosan zu steigen, den meistbesuchten Berg der Welt (Der Fujisan ist allerdings im Vergleich auch nur wenige Monate für Besucher geöffnet).

Der Takaosan ist quasi DER Berg für die Tokyoter und damit voll im Mainstream-Tourismus – allerdings vor allem eben was die Einheimischen angeht. Er liegt nur eine knappe Stunde Bahnfahrt von Shinjuku entfernt und ist damit ein einfaches Reiseziel um der Stadt mal eben als Tagesausflug zu entfliehen.

Vielleicht war ich etwas optimistisch, dass ich die letzten drei Tage schon immer über 30.000 Schritten in den Beinen hatte und diese beim Aufstehen noch ein bisschen schwer waren. Das änderte sich zum Glück sobald ich los ging. Um mir den Zickzack über Shinjuku zu sparen, peilte ich – mal wieder zu Fuß – den Bahnhof danach an, der nur gute 30 Minuten von mir entfernt lag.

Da bei vielen Tokyotern wieder der Arbeits- und Schulalltag einkehrte, profitierte ich von nicht zu vollen Zügen, die außerdem auch in sagenhafter Regelmäßigkeit fahren, dass man maximal 10 Minuten auf den nächsten Zug wartet. Zugverkehr in und um Tokyo ist einfach brutal gut.

Trotz des Wochentages war ich einer der wenigen sichtbaren Ausländer, die Richtung Takaosan im Zug saßen. Ich bin übrigens positiv überrascht, die „Gaijinblase“ in Zügen bislang kaum zu erleben. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Personen bevorzugt zu Japanern setzen und neben mir der Platz leer bleibt. Allerdings trage ich im Zug auch brav Maske – auch wenn man es nicht muss.

Ein Zug in frühlinghafter Hello Kitty-Lakierung. DIe Katze trägt ein paar Tulpen in der Hand.
Mit diesem Zug bin ich nicht gefahren – aber Hello Kitty ist so schön fotogen

Daddel auf Route 6

Der Takaosan ist kein wirklich schwer zu besteigender Berg. Es gibt sogar einen sehr einfachen, asphaltierten Weg, sowie ein Cable Car, dass einen die halbe Strecke hochbringt. Für mich war das natürlich nichts. Auch wenn der asphaltierte Weg an einigen Sehenswürdigkeiten vorbeiging, sehnte es mich nach dem echten Abenteuer. Ich entschied mich für die Route 6 (klingt etwas nach Pokémon), die als eine der anspruchsvollsten gilt, aber auch am Biwa-Wasserfall vorbeiführt. Trotzdem schaute ich dem Cable Car gerne einmal zu, wie es vollgeproppt mit Gästen nach oben fuhr. Beim Anblick der eingepferchten Menschen war ich irgendwie ganz glücklich mit meiner Wahl, an der frischen Luft zu bleiben.

Der Aufstieg war ein kleines Erlebnis als Hamburger. Funfact: Einer der höchsten Erhebungen in Hamburg ist ein Müllberg. Zum Takaosan hoch begann alles noch ziemlich zahm mit moderaten Anstiegen durch Wege entlang sonst unberührter Natur und über weite Strecken einem Wassserlauf folgend. Dieser führte nicht wenig überraschend auch aufwärts zum Biwa-Wasserfall. Dieser war allerdings zumindest an diesem Tag ein ziemlich ernüchterndes Wasserfällchen.

Ein kleiner buddhistischer Schrein mit Figuren. die rote Mützen und Lätzchen tragen.
Noch bevor es auf die unbefestigten Wege ging, sah ich den buddhistischen Senshin Jizōson.

Spannender wurde dagegen der Weg bergauf nach dem Wasserfall. Dieser wurde teils nämlich enger und anspruchsvoller mit immer mehr Passagen wo Steigungen über verflochtenen Baumwurzeln oder Gestein bewältigt werden mussten. Hier kam langsam Abenteuerstimmung auf.

Trotzdem waren auch hier viele unterwegs, sowohl jung als auch alt. Waren meine Schritte zu Beginn noch unsicherer auf unwegsamen Gelände, konnte ich live miterleben, wie meine Trittsicherheit immer besser wurde. Das war ganz praktisch, weil ich mit meinem etwas höheren Tempo auch immer wieder an Mitwandernden vorbei musste. Auch wenn ich langsam schwitzte war ich überrascht, wie gut meine Fitness hielt – auch wenn der Takaosan mit seinen 599 Metern erfahrenen Wanderern nur ein müdes Lächeln entlocken dürfte.

Gipfel, Soba, Bier und Fujisan

Der körperlich anstrengendste Teil war allerdings gegen Ende, als sich Route 6 mit einem anderen Pfad für den Schlussakt verband. Dieser war zwar ein vollends hölzerner Weg, hatte dafür aber eine Unmenge Stufen nach oben. Es war technisch nicht anspruchsvoll, aber eben ein munteres Treppensteigen.

Die vielen Stufen lohnten sich allerdings, als mich plötzlich der Berggipfel begrüßte. Bei schönstem Sonnenschein konnte man recht weit in die Ferne über zahlreiche kleinere Berge blicken. Nur der Fujisan war mal wieder etwas schüchtern und ließ sich noch nicht blicken.

Jetzt hatte ich mir mein Mittag aber redlich verdient: Soba-Nudeln und dazu ein kühles Kirin-Bier. Da alle Tische besetzt waren, machte ich es mir auf einem Mäuerchen gemütlich. Meine quasi nichtvorhandenen Stäbchen-Skills reichten immerhin für die dicken Nudeln aus.

Als ich mit dem Essen fertig war, genoss ich nochmal den Ausblick. Der Himmel war nun noch etwas klarer und schemenhaft ließ sich jetzt auch endlich der schneebedeckte Gipfel des Fujisan erkennen. Ich war glücklich! Den Takaosan bestiegen UND den Fujisan gesehen – ich glaube, ich bin langsam ein richtiger Tokyoter – auch wenn ich nicht wirklich japanisch spreche. Für den Moment fühlte es sich aber dennoch so an.

Das Gebirgspanorama von der Spitze des Takaosan aus. In der Ferne lässt sich sogar der schneebedeckte Fujisan im Nebel erkennen.
Zumindest schemenhaft zeigt sich der Fujisan dann doch noch in der Ferne. Mein erstes Mal, dass ich ihn sehe.

Auf Sakura-Suche

Weil ich Flachlandpirat mich Titanic-mäßig gerade als König der Welt fühlte und ich wusste, dass etwas weiter über den Gipfel hinaus noch Sakura-Bäume stehen sollen, entschied ich mich spontan, meinen Wandertrip etwas auszuweiten. Erst ging es wieder massenweise Stufen bergab, wo mir schon beim runtergehen davor graute, dass ich diese später auch nochmal wieder hoch muss. Dann gabelte sich der Weg in 3 Pfade die später laut Karte wieder nach und nach zusammentreffen. Ich entschied mich für den mittleren Weg der am kürzesten aussah, dafür aber offenbar die meisten Höhenmeter in sich trug.

Kurz nachdem die Wege sich wieder vereint haben, gab es erneut eine Gabelung. Einen größeren Weg mit ordentlich Treppen und einen kleinen der drumrum zu gehen schien. Ich entschied mich für den kleinen und erlebte mein nächstes Abenteuer. Hier war kaum jemand unterwegs und der Weg wirkte viel viel dichter bewachsen. Ich fühlte mich wie in einem Dschungel, in dem zum Glück ein ganz schmaler Pfad zu erkennen war. Zur Sicherheit achtete ich aber etwas mehr auf mögliche Schlangen, da ich die Büsche beim Gehen schon streifte und ihr Hauptangriffgrund ist, dass man auf sie drauf tritt.

Es gab aber keine Schlangen und zumindest ganz vereinzelt auch andere Wanderer, die aber schon etwas erfahrener wirkten als auf anderen Wegen. Auch die Anstiege hatten es hier teils echt in sich, aber machten dadurch auch Spaß. Es dauerte ein ganzes Weilchen, bis ich ganz offenbar wieder auf den Weg kam der über die Treppen ging und der VIEL breiter und offener war. Dennoch war dieser kleine Umweg etwas besonderes.

Nun kamen wieder massig Stufen nach oben, wenn auch weitgehend natürlicher gewachsen. Aber es kamen auch mehr und mehr Kirschbäume, die teils sogar ihre Blüten regelrecht regnen ließen. Es war eine schöne Belohnung, auch wenn ich irgendwann, nachblickend muss das ganz kurz vor Erreichen des nächsten Berggipfels gewesen sein, langsam kehrt machte. Auf dem Rückweg entdeckte ich sogar einen Spot, an dem ich die gesuchten Kirschbäume schön von der Bergseite aus fotografieren konnte. Ziel erreicht!

Der Rückweg zum Gipfel des Takaosan war dann nochmal sehr fordernd. Wieder eine ganze Menge Stufen, erst abwärts und dann leider auch wieder hoch, die langsam doch auch ziemlich anstrengend wurden. Während ich sonst die Rastplätze zwischendurch ausließ, musste ich mich bei der letzten Stufenhölle zum Gipfel zweimal kurz setzen damit die Beine wieder frischer die nächsten Stufen nehmen konnten. Die Hoffnungen, dass sich der Fujisan mittlerweile besser zeigte wurden leider nicht erfüllt. Dafür gönnte ich mir nochmal ein Macha-Eis und genoss selig den Ausblick.

Die Hänge eines Berges mit zahlreichen Kirschbäumen in ihrer Blüte. In der Ferne sieht man auch die Ausläufer Tokios.
Auf dem Rückweg zum Takaosan, konnte ich die zahlreichen Kirschbäume auch mal von außen sehen. Ich war wohl noch ein gutes Stück weiter als ich musste. Der Anblick lohnte sich aber.

Abstieg auf Route 3

Mittlerweile konnte ich mich wieder etwas erholen. Die Beine waren jetzt zwar schon etwas müde, aber es steckte noch genug Leben drin, dass ich mich beim Abstieg für die Route 3 entschied, die ein Weg durch viel unberührte Natur bieten sollte. Etwas schade, da ich erneut nicht die Sehenswürdigkeiten entlang des Hauptweges sehe, aber Route 3 klang einfach auch ganz spannend.

Offenbar gehörte ich zu einen der wenigen, die sich nach dem Trip auch noch bergab für etwas Herausforderung entschieden. Mindestens die erste Hälfte des gut einstündigen Abstiegs traf ich keine Menschenseele. Stattdessen wurde ich begleitet vom Gesang der Vögel, teils vertraut, teils andere Laute als in Deutschland. Ich war dabei unglaublich froh, dass ich mittlerweile eine überraschende Trittsicherheit bekommen habe. Denn wo das hochkraxeln auf unwegsamen Gelände zwar mühsam ist, ist ein sicherer Tritt beim Abstieg über Baumwurzel- und Felsstufen nochmal wichtiger. Das wäre so zu Beginn des Trips nicht möglich gewesen.

Vermutlich habe ich mir den Abstieg etwas verlängert als ich bei einer Abzweigung nicht mit der Route 1 verschmolz, sondern einen Verbindungsweg zur Route 6 am Biwa-Wasserfall ging. Das war mit der steilste Teil des Abstieges, aber ich traf nun doch auf ein paar andere Wanderer, die auf dem Rückweg war. Die meisten überholte ich, aber es kamen auch zwei Wanderer an mir vorbei, die mit schnellen Schritten leichtfüßig den perfekten Weg nahmen als wäre es nichts. Davon war ich noch meilenweit entfernt.

Der Abstieg eines Berges, der über eine Brücke führt.
Mittlerweile zum Glück Trittsicher – Auf dem Rückweg war der Abstieg auch öfters unwegsam.

Auf Wiedersehen, Takaosan!

Irgendwann kam ich dann aber am Biwa-Wasserfall an. Wie schon beim Hinweg wartete auch abwärts von dort an der leichteste Teil der Reise, sodass es mit strammen Schritt Richtung Bahnhof ging. Unten angekommen freute ich mich am Getränkeautomaten über eine gut gekühlte Pfirsich-Brause, die nach dem Abstieg einfach nur gut tat. Ich schaute noch ein wenig durch die Shops und den Tempel am Fuß des Berges. Zum Glück hatten meine Füße überraschend gut durchgehalten und meine neue Geländeschuhe hielten beim ersten Härtetest den guten Eindruck, den sie zuvor schon beim Probegehen im Flachen gemacht haben.

Ich kann nur jedem empfehlen, zumindest eine Strecke durchs Gelände zu probieren. Es ist einfach eine tolle Erfahrung und trotzdem sicher und einfach genug, dass sich auf eigentlich allen Wegen auch viele Ältere Menschen oder auch Familien sah. Bedenkt: Die einfacheren Wege können teils die längeren sein, weil sie dafür nicht so anspruchsvolle Anstiege haben.

Zuhause angekommen war es eine Wohltat die Schuhe auszuziehen, auch wenn die Füße sich weniger schlimm anfühlten, als ich vor dem Trip gedacht hätte. Auch Blasen und Co blieben mir trotz der bislang kaum getragenen Schuhe zum Glück erspart. Sehnsüchtigst ging es unter die Dusche.

Schrittzahl: 34.903

Anstiegsmeter: 797,7m

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