
Tag 52: Magome – Tsumago – Matsumoto
Wie früh ist früh? Es dürfte gut 10 Uhr gewesen sein, als ich Magome verlassen habe. Zuvor habe ich natürlich noch einen Rundgang durch das verschlafene Örtchen gemacht. Am Aussichtspunkt gab es dann auch noch ein kleines Frühstück mit Schokobrötchen aus dem Konbini. Mittlerweile hatte ich natürlich auch mein Bärenglöckchen am Rucksack befestigt – sicher ist sicher und irgendwie hat es ja auch seinen Charme.
Obwohl der Weg nach Magome schon stetig bergauf ging und Magome selbst auch einige Höhenmeter bereit hält, ist der Weg zum prominenten Abschnitt des Nakasendo – der alten Poststraße – tatsächlich der forderndste Teil des Weges. Hier geht es erstmal mächtig bergauf. Ein paar einzelne Wanderer waren schon unterwegs, aber es schien, dass ich noch zu den ersten Abenteurern gehörte, die den historischen ort verließen.
Auch jenseits des touristischen Ortkerns sehr normale Häuser standen, gab es aber trotzdem das ein oder andere hübsche Wasserrad zu bestaunen und auch ein paar Gebäude, die schon eher einen gewissen Ryokan-Charme versprühten.
Dann war es aber endlich so weit. Die befestigte Straße mit hübschen Farbsprenklern fand ihr Ende und es ging in den Wald. Auf dem Nakasendo war ich faktisch schon seit dem Bahnhof am Tag zuvor, doch jetzt begann der populäre Teil der Route.



Ein Teehäuschen im Nirgendwo
So allein durch den Wald zu stapfen hat schon etwas, vor allem wenn es deutlich mehr Höhenmeter gibt, als man von Zuhause gewohnt ist. Trotzdem muss ich zugeben: Der Weg vom Bahnhof nach Magome war irgendwie vom Untergrund noch ein bisschen spektakulärer. Hier war es doch eher der klassische Trampelpfad statt rustikalem Kopfsteinpflaster.
Dafür waren aber auch die Höhenmeter ein paar mehr. Was es nach Magome und darüber hinaus nach oben ging, ging es Richtung Tsumago eher nach unten und das vorwiegend im Wald. Und auf halbem Weg gibt es eine ganz besondere Attraktion: Ein Teehaus.
Als ich am Teehaus ankam, war ich tatsächlich der einzige Gast – ich war also wirklich früh und flott unterwegs. Ein älterer Herr begrüßte mich freundlich und fragte mich ob ich Tee möchte. Gerne nahm ich den freundlichen Service an. Das Teehaus wird ehrenamtlich geführt – Tee und auch die getrocknete Pflaume als kleiner Snack wurde mir kostenlos gereicht. Der Mann sprach nicht wirklich gut Englisch, aber irgendwie verständigte man sich trotzdem – er liebte sichtlich seine Arbeit und die Bewahrung des historischen Ortes. Natürlich hinterließ ich auch gerne eine kleinen Spende, damit das Teehaus auch künftig Reisende empfangen kann. Ab und an soll es wohl auch musikalische Unterhaltung geben, aber dafür war ich wohl deutlich zu früh.
Noch während ich die Gastfreundschaft genoss kamen tatsächlich weitere Gäste vorbei. Und siehe da: Es waren keine Japaner und auch keine Amerikaner, sondern Europäer und sogar aus der Schweiz. Im Gegensatz zu mir tourten sie allerdings im Camper durch Japan, den sie allerdings bei Magome geparkt haben. Für sie sollte es am Ende des Weges mit dem Bus wieder zurück gehen. Ich genoss noch ihre Gesellschaft noch ein wenig, doch dann ging es für mich bereits weiter.



Weiter nach Tsumago
Nach dem Teehaus brauchte es nicht lange, bis mich die japanischen Wander-Überraschungen einholten. Ein Teil des Weges wurde – vermutlich durch Erdbeben, Tsunamis und ähnliches – versperrt und für Wanderer nicht zugänglich. Stattdessen musste ich ein Stück der Straße Gebirgsstraße entlang, bis sie wieder dem Wanderweg schnitt.
Zum Glück konnte ich trotzdem ein Stückchen “zurück” gehen, wo es einen überraschend fotogenen Wasserfall gab, den ich nur zu gerne mitgenommen habe. Wasserfälle und japanische Flüsse nehme ich ja sowieso immer gerne mit.
Dann ging es weiter mit Schildern die einem offenbar rieten lieber einen Helm aufzuziehen… den hatte ich natürlich genau so wenig, wie wohl die meisten Wanderer. Die Reise ging aber ohne Überraschungen von oben. Stattdessen sah ich ziemlich hübsche Schmetterlinge.
Schließlich die der Nakasendo den Wald und es ging in die ersten Ausläufer der Zivilisation. Obwohl noch nicht in Tsumago erfreute mich bereits das ein oder andere alte Ryokan entlang der nun befestigteren Straße – und es gab auch wieder Wasserräder!
Für mich ging es jedoch bald wieder von der asphaltierten Straße ab. Entlang des Waldesrands mit Reisfeldern und Schreinen kam ich dann tatsächlich in Tsumago an.



Von Tsumago nach Nagiso
Tsumago ist auch eine alte Poststadt, doch die Stimmung ist eine ganz andere. Das liegt unter anderem daran, dass Tsumago sich nicht nach oben windet sondern generell flacher ist. Zum anderen ist der Ort aber auch nicht ganz so glattgebügelt. Magome wirkt fast schon ein bisschen zu perfekt, fast wie ein Freilichtmuseum. Tsumago dagegen wirkt etwas rustikaler und echter.
Allerdings mangelt es daher auch vergleichsweise an Geschäften, während man trotzdem das ein oder andere interessante Ryokan entdeckt. Ich vermute mal, dass man da noch etwas mehr die angebotene Verpflegung annehmen sollte. Für mich sollte Tsumago aber nur eine Zwischenstation zum eigentlichen Tagesziel sein. Ich schaute mich aber natürlich trotzdem noch ein bisschen um und entdeckte sogar eine Art Ausstellung, die wohl zum Kindertag gemacht wurde mit unzähligen kleinen Figuren.



All zu lang hielt es mich aber auch nicht in Tsumago, weil die historischen Gebäude sich auch auf einige wenige Wege beschränkten. Außerdem sollte es sich für mich noch weiter gehen. Wo für viele Touristen die Nakasendo-Reise in Tsumago endete hatte ich für mich befunden, dass man auch zu Fuß nach Nagiso kann, wo der nächste Bahnhof ist.
Auch hier lag der Reiz darin, dass dieser Weg nicht ganz so populär ist. Es war jetzt nicht so spektakulär wie vom Bahnhof nach Magome, aber ich habe den zusätzlichen Weg nicht bereut. Erneut ging durch dichtere Natur, entlang idyllischer Reisfelder und am Rande Nagisos erwartete mich sogar eine alte Dampflok, die ich als Sohn eines Lokführers natürlich nur all zu gern genauer angeschaut habe und schließlich auch Bilder in die Heimat geschickt habe. Japan ist echt spannend für Eisenbahn-Geschichte!



Ankunft in Matsumoto
In Nagiso angekommen hatte ich noch ein bisschen Zeit, bis der Zug kam. Darum schaute ich mich zumindest ein bisschen im kleinen Städtchen um. Wirklich viel konnte ich in den gut 15-20 Minuten nicht entdecken, aber es ist sicherlich ein ziemlich entspannter Ort. Am Getränkeautomaten nahm ich mir zumindest noch eine schöne Erfrischung mit: “Real Gold Lemon” – eines der in Japan so verbreiteten Zitronen-Getränke, an die ich ein wenig mein Herz verloren habe. Endlich mal ein bisschen in der Sitzposition genoss ich so die malerische Landschaft die erneut an mir vorbeizog.
Dann war ich in Matsumoto obwohl ich erst tags zuvor über Nagoya angereist bin fühlte es sich nach der Rückkehr in die Zivilisation an. Wenn auch vielen Auslandstouristen unbekannt, zählt Matsumoto immerhin über 200.000 Einwohner. Und da ich im Zug schon Google Maps bemüht habe, wusste ich auch, dass es in der Nähe des Bahnhofs auch direkt einen BOOKOFF gibt. Wander-Daddel wurde daher schnell zum Otaku-Daddel. Doch zuvor ging es mal wieder zum Billig-Italiener “Saizeriya” der direkt in der Nähe war.
Gesättigt ging es in den BOOKOFF, der unglaublich groß war und gleich mehrere Regalreihen für Figuren bot. Mein ehrlicher Tipp: Schaut abseits von Tokyo oder zumindest abseits der Hotspots nach Second Hand-Figuren. Die Preise hier waren einfach unglaublich gut, sodass ich trotz vollem Reiserucksack einfach direkt zugreifen musste.



Über seltsame Frösche zum Hotel
Mein Hotel befand sich gute 5 Kilometer vom Bahnhof entfernt. Da ich an diesem Tag ja noch nicht so viel gelaufen bin, entschloss ich mich natürlich den Weg zu Fuß zu gehen. Das lag aber auch daran, dass auf dem Weg noch ein paar Sehenswürdigkeiten lagen und das Wetter für den Folgetag jetzt auch nicht übermäßig gut sein sollte.
Der erste Stop war die Nawate Einkaufsstraße. Ich habe sie an diesem Tag aber eher recht beiläufig besucht, weil sie zufällig auf dem Weg lag. Das allgegenwärtige Froschthema nutzte ich aber nur zu gerne für einherrlich beklopptes Foto, dass ich nach Hause und in die sozialen Medien schicken konnte, um alle endgültig davon zu überzeugen, dass ich den Verstand verloren habe.
Wenn eine Stadt eine Burg hat muss diese aber natürlich auch besucht werden. Nicht weit weg von der Einkaufsstraße befand sich auch gleich schon die Burg Matsumoto. Für einen ausführlichen Burgbesuch war ich ein bisschen zu erschöpft, aber ein paar schöne Fotos und ein kleiner Rundgang war dann doch drin, bis ich weiter Richtung Hotel ging.

Weil ich generell eine Liebe für japanische Flüsse habe, ging ich am Fluss Metabo entlang, der gut 2/3 meiner Gesamtstrecke vom Bahnhof ausmachte. Es war kein wirklich beeindruckender Fluss, aber einer der sich noch relativ natürlich schlängelnd durch die Stadt bewegt. Und es ist halt wie es ist: Die Flüsse in japanischen Städten sind für mich einfach total entspannend.
Am späten Nachmittag erreichte ich dann endlich Atami Onsen, eine Art “Onsen-Stadt” in Matsumoto. Der Charme war irgendwo zwischen “richtig schön” und “hat schonmal bessere Tage gesehen”. Aber wenn es aus den kleinen Wassergräben neben der Straße mal rausdampft, dann fühlt man sich irgendwie gleich wohl.
Das Hotel war das mit Abstand größte meiner Reise und hatte als einziges einen wirklich gut frequentierten Checkin, obwohl da mehrere Schalter waren. Entgegen der meisten Negativbewertungen hatte ich aber eine sehr freundliche Checkin-Erfahrung und befand mich bald darauf auch schon auf dem Weg zu meinem Zimmer: Erneut im (optionalen) Tatami-Stil. Zugleich war es aber auch mein größtes Zimmer im traditionellen Stil.



Burger und das große Quaken.
Für das Abendessen merkte ich, dass Matsumoto und gerade auch das Onsenviertel nicht gerade von westlichen Touristen überrannt wird. Die wenigen Restaurants in der Gegend schienen nicht sonderlich auf Nichtjapaner eingestellt, aber es gab auch nicht so vieles wo ich mich als Picky-Eater abgeholt fühlte. Daher ging fürs Abendessen einfach zum nächsten Mos-Burger.


Doch selbst dort merkte ich, dass ich nicht an einem Touri-Hotspot war. Die erste Mitarbeiterin war doch ein bisschen überfordert, dass da jemand plötzlich englisch spricht und holte sich lieber etwas Hilfe dazu. Die Bestellung war sonst aber simpel wie immer, weil auch Mos-Burger eigentlich immer eine Karte hat, auf der man zeigen kann, was man möchte. Trotzdem war es doch ganz interessant zu sehen, wie sich eine Stadt wie Matsumoto dann unterscheidet.
Nach meinem Fastfood-Abstecher ging es etwas weniger entlang der Hauptstraße zurück, wo es tatsächlich auch an ein paar städtisch-gelegenen Reisfeldern vorbei ging. Und wo wir vorhin noch bei den Fröschen waren: Ich habe noch nicht ein derartig lautes Quak-Konzert gehört, wie auf diesem Weg. Vielleicht waren es auch die Flutlichter eines nahen Baseballstadions, welche die Frösche besonders aktiv werden ließen, aber man konnte sie echt noch mehrere Straßen weiter hören. Trotzdem konnte ich so weit beleuchtet keine Frösche direkt sehen können.
Onsen sind ein Segen
Nach einem Abstecher in den Konbini – Getränkevorräte und ein paar Snacks wollten schließlich aufgefüllt werden ging es zurück ins Hotel. Und weil es sich schließlich auch um ein Onsen-Hotel handelte, musste ich zu fortgeschrittener Stund auch unbedingt das Bad aufsuchen. Die Yukatas konnte man sich zuvor im Eingangsbereich nehmen. Mit Yukata hat es auch irgendwie etwas rituelles zum Bad zu gehen.
Als ich zum Bad kam war es nicht all zu voll, aber ich war auch nicht allein. Aber mal ganz ehrlich: Die größere Angst war, mich irgendwie vorab üblichen Waschen auf dem Hocker mit dem typischen kleinen Holzeimer doof anzustellen. Übrigens auch ein guter Service, das das Hotel alles nötige zur Pflege direkt bereitstellt. Danach konnte ich das Wasser genießen, dass zwar beim Reinsteigen heiß war, aber eine für mich sehr erträgliche Temperatur hatte.
Die Ruhe eines Onsens ist einfach unglaublich schön auch auch entschleunigend. Es wird nicht groß geredet sondern einfach das Bad genossen, während lediglich das Plätschern des nachfließenden Wassers durch den Raum hallt. Als Anfänger muss man nur darauf achten, dass man es nicht übertreibt und einen die Hitze doch irgendwann “kalt erwischt”. Ich habe das aber glaube ich gut raus gehabt und kehrte herrlich entspannt zurück.
Wie schon in Ito merkte ich auch hier, dass ich eigentlich mehr Onsen in meinem Leben brauche. Die Wegstrecke des Tages hatte ich schon etwas in den Beinen gespürt, aber schon direkt nach dem Bad spürt man sofort wie das heiße Wasser seine Magie getan hat. So konnte man den Tag gut beenden.