Tag 46: Kyoto Teil 4: Aoi Matsuri
Wie die Zeit doch vergeht. Heute ist doch tatsächlich die zweite Hälfte meiner Japanreise angebrochen und trifft sich passenderweise auch direkt mit der Mitte meines Kyoto-Aufenthalts. Diesmal fand das Aoi Matsuri tatsächlich statt, das Tags zuvor wegen dem unabwägbarem Wetter verschoben wurde.
Ich stand diesmal ein Stündchen eher auf, um auch wirklich sichergehen zu können, dass ich rechtzeitig dort aufschlage. Ich habe aber zugegeben darum auch etwas mehr getrödelt als am Vortag. Trotzdem ging es rechtzeitig los und ich dachte sogar daran, dass ich mir noch Sonnenschutz kaufen wollte. Bei der Gelegenheit nahm ich ein paar PET-Flaschen und Dosen aus meinem Zimmer mit, um sie dort gleich zu entsorgen. Zwar ist dieser Tag auch der Reinigungstag für mein Zimmer, aber die müssen ja nicht mein ganzes Konbini-Gelage wegräumen.
Einen FamilyMart später war ich dann wieder am Fluss in Richtung Schrein unterwegs. Für die Abwechslung entschied ich mich für die andere Flussseite und nutzte die Gelegenheit auch mal, um den bösen UV-Strahlen den Kampf anzusagen (Warum verbildlicht sich mir das jetzt als Fleckenzwerge?)
Als ich ankam war zwar deutlich mehr los als am Tag zuvor, aber ich war erstaunt, dass die Sitzbereiche in Richtung Schrein doch noch überraschend leer waren. Mit der Befürchtung, dass die schon alle im Vorverkauf reserviert wurden fragte ich mal nach, konnte aber problemlos einen Platz kaufen. Vielleicht lag es an den etwas über 3.500 Yen (knapp 24 Euro), dass die meisten dann doch lieber an der Straße standen, wo man noch etwas näher am Geschehen dran ist. Dafür bekam ich aber eine 500ml-Flasche Wasser für 100 Yen und konnte sehr bequem das Geschehen vor herrlich grüner Kulisse genießen. Außerdem war das Warten so bequemer und die Bäume boten angenehmen Schatten.
Das Aoi Matsuri
Gegem 11:30 Uhr war es dann so weit: Die ersten Kostümierten gingen und ritten in Richtung des Schreins. Es war eine ziemlich lange Prozession, auch weil die Teilnehmer nicht dicht auf dich kamen, sondern immer mal wieder größere Gruppen vorbeikamen. Etwas mehr Spektakel hätte hier und da aber sein können. Es war doch eine ziemlich stille Prozession in Vergleich zu anderen Tempel-Veranstaltungen.
Allerdings muss man hier auch auf die Entstehung des Festes schauen. Es hat seinen Ursprung im 6. Jahrhundert, als das Land von Dürre und einer schweren Epidemie gezeichnet war. Der Kaiser sandte einen Botschafter zum Schrein, damit dort mehrere Rituale durchgeführt werden, um die Götter milde zu stimmen. Das Fest hat also einen düsteren Hintergrund und eine sehr lange Historie, da dieses Ritual seither – von einigen geschichtlich begründeten Pausen abgesehen – jedes Jahr abgehalten wird.
Die Prozession verschwand schließlich im Schrein, wo die Rituale abgehalten werden, dessen krönender Abschluss in Form einer Reitdarbietung vor der Öffentlichkeit stattfinden sollte. Eigentlich hätte ich gedacht, dass ich die Zeit eher nutze, um etwas in der Umgebung rumzuschlendern, aber dann fand mich doch an den Festständen wieder. Ich gönnte mir Yakisoba (800 Yen), Dango (300 Yen) und ein Dosenbier, was mit 500 Yen als einziges deutlich teurer war, als jetzt der übliche Marktpreis. Insgesamt bin ich aber immer wieder fasziniert, wie günstig die Stände bei solchen Festen sind.
Danach sicherte ich mir langsam einen Platz in der Nähe der Reitspur. Es dauerte nicht zu lange, bis langsam die Reiter hereinkamen und sich einige Personen wohl höheren (historischen) Standes in eine Art Ehrenloge setzten. Wobei Ehrenloge etwas zu viel gesagt ist. Im Kontext eines solch traditionsreichen Festes fand ich das Plastik-Zeltdach auf einem Metallgerüst sehr unpassend. Bei all den Mühen mit Kostümen und Co hätte man da nicht sparen sollen. Kyoto ist ohnehin eine Stadt des alten Handwerks.
Auch die Reitdarbietung war jetzt nicht übermäßig spektakulär und folgte schon merklich einem Protokoll. Wobei man auch merkte, dass nicht alles gleich gute Reiter waren. Während 1-2 Reiter mit ordentlich Dampf ritten und die Waffe präsentierten, waren andere doch deutlich zaghafter unterwegs.
On the Road again
Nachdem die Reiter auch noch zeremonielle Schärpen überreicht bekamen, endete die kleine Darbietung und es kam ordentlich Bewegung in die Menge. Auch ich verließ den Park mit dem Tross zur weiteren Strecke der Prozession, die zu einem weiteren Schrein weiterführte. Dies war sogar die längere Strecke. Ich musste mich allerdings ein paar hundert Meter durchwühlen, bis ich direkt an der Straße einen freien Platz mit bestem Blick hatte, wenn der Tross vorbeikommen sollte.
Das nutzte ich aus und muss schon sagen: Man sieht an der Straße deutlich besser, als auf den Stühlen. So hatte ich auf dem Stuhl sitzend eigentlich nicht bemerkt, dass da auch Bullen mit bei waren – die liefen auf den Sitzplätzen irgendwie unter meinem Radar. Dafür war aber eben die Straße dann keine so schöne Kulisse wie der Park.
Es dauerte so gute 20 Minuten, bis die mehreren hundert Teilnehmer des Festes an mir vorbeigezogen waren und die Polizei die Nachhut übernahm. Es war gut 15 Uhr, aber der Tag hatte ja noch ein paar Stunden. Ich entschied mich einen Besuch beim Fushimi Inari, einem Schrein der für seine 10.000 Torii-Tore bekannt ist. Ich hatte vor, entgegen vieler Touristen die ganze Tour bis hoch zum Gipfel des kleinen Berges Inari zu gehen. Da sollte ich den Tempel auch zur nicht ganz so frühen und vermutlich daher volleren Stunde noch genießen können.
Kleine Überraschung für mich: Bei der ersten von 2 U-Bahnen auf dem Weg dorthin hatte ich sogar einen Zug mit Display, wo die Folgestationen standen. Bislang hatte ich gedacht, dass Kyoto das noch gar nicht hat. Sie sind aber wohl deutlich seltener als in Tokyo und wirken trotzdem etwas altbackener. Aber vielleicht gehört der alte Look in Kyoto ähnlich dazu wie in Berlin, wo die Bahnen optisch auch ein bisschen aus der Zeit gefallen wirken.
Fushimi Inari mal anders
Auf den ersten Blick wirkt der Fushimi Inari wie ein normaler, wenn auch sehr großer Schrein. Es gibt ein großes Eingangstor, mehrere Orte zum Gebet und eine ganze Reihe von Shops im und vor dem Schrein.
Die wahre Magie entfaltet sich aber erst, wenn man auf dem bekannten Weg geht, der durch tausende der orange-roten Torii-Tore führt. Ich hatte schon kleinere Pfade dieser Art in Tokyo beschritten, aber sie alle verblassen gegenüber dem Fushimi Inari. Und trotz der Länge des Weges ist es gerade im Anfangsbereich sehr voll. Wissend, dass nur wenige den kompletten Weg zum kleinen Berg Inari hochgehen, bog ich relativ früh aus der Masse ab. Eigentlich weil ich dachte, dass es zu einem kleinen Nebenschauplatz geht. Doch der Weg führte einfach weiter und weiter und es war keine Menschenseele außer mir dort. Da Google Maps mir jedoch anzeigte, führte aber auch dieser Weg zu meinem Ziel – auch wenn es nicht der Weg war, den ich zuerst dachte.
Hier ging es auch nur selten einmal durch einzelne Toriis, dafür gab es aber immer wieder kleine Schreine oder Gedenkstätten, die voll mit Toriis waren. Sowohl jene zum durchgehen, als auch kleinere Varianten als Dekoration. Manche Orte sahen dabei schon ein bisschen verwitterter aus, dass sie bei schlechterem Wetter auch hätten Sets aus Horrorfilmen sein können. Was meinen gewählten Weg noch besser machte: Es gab auch Passagen entlang eines Bambuswaldes und mir kam auf der ganzen, recht langen Strecke nur zwei Mal jemand entgegen. Auch wenn es nicht durch die Torii geht, kann ich jedem diesen kleinen unerwarteten Schlenker empfehlen um den Schrein und seine Umgebung von einer ganz anderen Seite zu entdecken.
Ein bisschen zu weit…
An einer Stelle muss ich dann aber falsch abgebogen sein. Vermutlich in einer kleinen Glaubensstätte, aus der ein Weg weiter führte. Ich hatte mich nämlich doch etwas gewundert, als der Weg plötzlich sehr schmal und deutlich unwegsamer wurde. Ich hatte zwar schon schwierigere Wege gehabt, aber meine Schuhe waren nur halbe Offroad-Treter. Ein Blick auf Google Maps zeigte mir auch: Ich war etwas über den ursprünglichen Weg hinaus und Google zeigte diese schmalen Wege nicht einmal an. Trotzdem kam ich an eine Weggabelung, wo zum Glück einer der Pfeile zur Bergspitze wieß.
Ein paar Windungen des Pfades später kam ich dann auch unverkennbar auf dem Weg zur Bergspitze raus – und zwar dem offiziellen Weg. Den erkannte ich schon sofort daran, dass hier wieder dicht an dicht die Torii standen. Als ich auf den Weg kam war ich aber auch schon fast bei der Spitze. Diese war jetzt nicht übermäßig spektakulär, aber in der anderen Richtung ging ebenso ein Weg voller Torii runter, den ich dann umso mehr genoss.
Hier war auch deutlich mehr los, als auf meinem Weg hoch. Trotzdem war es deutlich leerer als noch weiter unten und der Bewegungsfluss leidete daher nicht so unter Gruppen, die inmitten des engen Weges unbedingt noch das große Fotoshooting machen müssen. Ich selbst nutzte den Platz indes aber auch für ein Selfie vor schöner Kulisse, allerdings als ich weit und breit niemandem im Weg stand.
Der Weg hinab war doch eine gute Strecke, vor allem wenn man bedenkt, dass man durchgehend durch die Tore geht. Nur am Ende verließ ich die Tore, weil es einen Alternativweg gab, der doch deutlich leerer war, als der nun immer voller werdende Hauptweg. Ich kam in einer Wohnstraße neben dem Fushimi Inari raus, von wo es aber auch direkt wieder einen Eingang zum Schrein gab.
Okonomiyaki again
Doch auch nach dem Aoi Matsuri und dem Fushimi Inari sollte noch nicht Schluss sein. Der Tag hatte noch ein bisschen Sonne übrig und ich war endlich warmgelaufen. Mein Hotel war zumindest in zumutbarer Distanz und so nutzte ich die Gelegenheit, ein bisschen mehr von Kyoto zu erkunden. Dabei kam mir auch ein Geistesblitz: Wenn es um das Gion-Viertel herum so überlaufen ist, vielleicht finde ich ja irgendwo zwischen Fushimi Inari und dem Hotel ein passendes Okonomiyaki-Restaurant. Zumindest eines entdeckte ich tatsächlich, dass sehr gut auf dem Weg lag und das laut Bilder groß genug schien, um mein Glück mal zu versuchen.
Zuvor lag aber noch ein ordentlicher Fußmarsch vor mir, erst durch kleinere Straßen entlang einer Bahnstrecke, später an einer größeren Straße mit stellenweise dann doch überraschend schmalem Bürgersteig. Unterwegs fiel mir dabei in einem Automaten auch die Pfirsich-Edition von C.C. Lemon ins Auge, die die liebe Aprikosenklang auf Twitter schon so leidenschaftlichen beworben hat. Sie hatte nicht zu viel versprochen und die Dose stellte sich als viel zu klein für so viel lecker heraus. Eine weitere Erkenntnis unterwegs: Auch in Kyoto gibt es offenbar deutsche Bäckereien. Nur war mein Magen bereits auf andere Genüsse aus.
Wenig später kam ich dann auch beim Kiraku Kiyomizu Gojozaka an, einem Teppanyaki-Restaurant, bei dem es auch reichlich Okonomiyaki gab. Die Tische waren zwar alle schon besetzt, aber ich bekam noch einen Platz am Thresen, wo es auch durchgängig die Teppanyaki-Grillplatten gab. Da ich in Nara bereits Schwein hatte, gab es diesmal ein Okonomiyaki mit Rind. Während ich meinen ersten Drink genoss konnte ich von meinem Platz sehr gut bei der Zubereitung meines Okonomiyakis aber auch weiteren Speisen zuschauen. Da lief bereits mächtig das Wasser im Mund zusammen.
Ein später Schreinbesuch
Als ich satt und zufrieden aus dem Restaurant kam, war es draußen dann auch schon dunkel. Den größten Teil des Weges hatte ich ohnehin hinter mir, aber ich ließ mich spontan nochmal ablenken. Bereits an einem regnerischen Tag lief ich an der Straße vor dem Yasaka-Schrein vorbei. Dieser über 1.000 Jahre alte Schrein lockt bereits mit seinem riesigen Eingangstor und er schien auch trotz der fortgeschrittenen Stunde noch offen zu sein.
So genoss ich nochmal eine späte Erkundung des Schreins, wo noch einiges los war. Unter anderem wurde einer Jugendgruppe erklärt, wie der Besuch eines Schreins und das Beten abläuft. Auch ich hatte natürlich noch ein paar 5-Yen-Münzen dabei und nahm die Gelegenheit wahr.
Auch der Yasaka-Schrein begann nach einer schrecklichen Epidemie 869 einen traditionellen Ritus, der auch später noch jährlich wiederholt wurde um rachsüchtige Geister zu besänftigen. Die Tradition wandelte sich etwas und ist heute als das Gion Matsuri bekannt, einem der “Drei großen Matsuri” Japans, das über den ganzen Juli verteilt stattfindet.
Mit einem geradezu gewohnten Konbini-Besuch ging der große Kyoto-Tag dann auch zu Ende.