Tag 44: Kyoto Teil 2 – Himeji & Okayama
In Anbetracht der desaströsen Wettervorhersage, hatte ich mir den Wecker am ersten vollen Tag in Kyoto entspannt auf 10 Uhr gestellt. Sollte ich wenig unternehmen können, wollte ich zumindest gut ausgeschlafen sein. Dass ich doch schon kurz nach 9 wach war, stellte sich jedoch als sehr glücklicher Zufall heraus. Als ich aufwachte war es draußen nämlich überraschend trocken, auch wenn sich schon der nächste Schauer anbahnte.
Doch auch wenn es für Kyoto und Osaka zumindest besser aussah als zuerst befürchtet, plante ich spontan auf Basis des Niederschlagradars um. Die Stadt Himeji sollte deutlich länger vom Regen verschont bleiben, als wenn ich in zuerst genannten Städten bleibe. Okayama, das ich bereits als zusätzliche Station beim Himeji-Tag im Kopf hatte, war sogar noch sicherer gelegen.
Beschwingt durch die Aussicht auf volles Programm, ging alles recht flott, damit ich nicht zu lange auf die nächste gute Verbindung nach Himeji warten muss. Trotz schnellem Verlassen des Hotels, blieben mir nur 7 Minuten Umstiegszeit von der U-Bahn hoch in den Bahnhof zum Shinkansen. Aber mit dem JR Pass und der beginnenden Routine schaffte ich es tatsächlich sogar vor Einfahrt des Zuges am Gleis zu sein.
Trotzdem: Die U-Bahnen in Tokyo sind mir bereits lieber. Die haben viel mehr Komfort mit den Stationen auf Bildschirmen. Und auch die Stationen selbst haben nicht immer sofort lesbare englische Namen. Manchmal ist das erste englische Wort was man liest „Subway“ und hilft einen nur mittelprächtig weiter. Aber zum Glück hat man ja App-Unterstützung.
Nach Himeji ging es allerdings in Etappen. Erster Halt war Shin-Osaka, wo ich dann in einen weiteren Zug nach Himeji umstieg. Bei der Abfahrt hatte Osaka der Regen schon erreicht, aber ich fuhr zum Glück ja der Nässe davon. Die Umstiegszeit reichte leider nicht für eine Frühstück, aber immerhin konnte ich mir am Gleis ein Getränk kaufen – denn auch dafür hatte ich vor dem überstürzten Aufbruch wenig Zeit.
Himeji – was für eine gigantische Burg!
Regenflucht geglückt: Als ich in Himeji ankam war es zwar bewölkt, doch vereinzelt lachten auch mal ein paar Sonnenstrahlen aus den Wolken heraus. Mein Hauptziel, die bekannte Burg, musste ich nicht einmal auf dem Smartphone suchen. Schon vom Ausgang des Hauptbahnhofs sieht man die 1,3 Kilometer entfernte Burg thronen, am Ende einer langen, geraden Hauptstraße. Bereits aus der Ferne ein imposanter Anblick, wundert man sich, wie weit die Burg dann tatsächlich von einem entfernt ist.
Doch am Ende kam ich an, zumindest an der Brücke, die in die üppige Parkanlage führt, welche die Burg umgibt und eigentlich sogar bereit selbst Teil der Burg ist, innerhalb ihres Grabens. Da wundert es nicht, dass ich den Weg zum im Park gelegenen Kunstmuseum mit seinen Ständen zunächst als Weg Richtung Burg vermutete. Aber vermutlich war ich da nicht der einzige mit dem Irrtum.
Am Ende fand ich den richtigen Eingang und stellte mich für die Ticketmaschine an. Natürlich war die Burg nicht kostenlos begehbar. Der Eintritt kostete 1.000 Yen für Erwachsene, wobei ich 1.050 Yen zahlte, dafür aber eine Kombikarte mit Eintritt zu einem wohl äußerst hübschen Park nebendran, den ich sowieso halbwegs auf dem Plan hatte. Damit rückte dieser auf meiner Prioritätsliste ein bisschen nach oben.
Der Eintritt für die Burg lohnte sich schon sehr schnell. Erst wenn man wirklich drin ist, beginnt man die Größe dieses monumentalen Bauwerks zu erahnen. Von außen sieht man in erster Linie das riesige Hauptgebäude, das aber eigentlich nur die Spitze des Eisberges ist. Es gibt so viele Mauern und Gebäude, die man erst bemerkt, wenn man sich selbst hoch zur Hauptburg schlängelt.
Übrigens: Was Himeji so besonders macht ist nicht nur die Größe, sondern auch, dass es eine der wenigen Gebäude ist, die Erdbeben, Kriegen und anderen Ereignissen über die vielen Jahrhunderte getrotzt hat. Die meisten Burgen Japans sind neu aufgebaut, während Himeji zwar restauriert, aber im Kern noch die Burg von damals ist. Dafür sorgt vermutlich auch eine besonders aufwendige und robuste Bauart.
In der Nebenburg
Bevor es für mich in Richtung des Hauptgebäudes ging, bog ich ab zu etwas, das mir zunächst eher wie eine Art Nebenpark erschien. Es stellte sich jedoch als eine Art Nebenburg heraus, die sich sogar begehen ließ. Wie in Japan nicht unüblich, waren in dieser historischen Stätte verständlicherweise keine Schuhe erlaubt. Diese mussten am Eingang ausgezogen und in eine Plastiktüte verstaut werden. Da man woanders erst rauskommt, muss man die Schuhe daher selbst mitnehmen.
Also ging es ab durch einen Turm quasi in die Mauer, die aber auch so manche Räumlichkeiten am eigentlichen Gang hatte. Diese waren aber fast gänzlich leer. Stattdessen standen Überall große Aufsteller, die Fakten zur Burg und Geschichten über die herrschenden Familien erzählten. Alles habe ich dabei nicht gelesen, da ich ohnehin nicht so viel Input hätte speichern können. Aber gerade zu den baulichen Eigenheiten der Burg gab es ein paar interessante Fakten, da die Fassade schon eine überaus komplexe Konstruktion war, die sich über die Jahrhunderte offenbar auch bewährt hat.
Besonders an der Burg Himeji ist ihr strahlendes weiß, dass ihr übersetzt auch den Namen „Burg des weißen Reihers“ einbrachte. Grund dafür ist der Putz der Burg. Dieser diente damals vor allem dem Schutz vor Feuer, war aber meist einseitig verarbeitet. Himeji verwendete den Putz beidseitig und schuf somit ihr einzigartiges Äußere. Die gigantische Burg galt damals zudem als uneinnehmbar, was ich ob der schieren Dimension dieses Bauwerkes nur all zu gerne glaube. Allein diese Nebenburg müsste mich laut Entfernungsangaben rund 200 bis 300 Meter entlang der Mauer geführt haben, inklusive einiger Treppen die bestiegen werden mussten.
Im Herzen Himejis
Die Burg Himeji mag als uneinnehmbar gegolten haben – ich bin aber bis in ihr Herz eingedrungen – während sie gewissermaßen aber mein eigenes Herz gestohlen hat.
Ich glaube von der Nebenburg aus musste ich mindestens zwei weitere Tore passiert haben, ehe ich zum Hauptgebäude gelangte. Wenig verwundernd war dies der Teil der Burg, wo am meisten los war und natürlich konnte ich auch hier reingehen. Erneut hieß das allerdings: Schuhe aus und in eine weitere Plastiktüte – natürlich nicht umweltfreundlich, aber wann besucht man schon eines der größten Kulturstätten Japans?
Schon vor der ersten Treppe stauten sich die Menschen. Schon auf dem Weg drosselten eine kleine Gruppe älterer Japaner das Tempo, was sich bei der Treppe nun nicht unbedingt besserte. Ich nutzte aber die Gelegenheit um die ersten Räumlichkeiten, die sich mir bereits boten etwas ausführlicher zu besichtigen. Danach sollte es sich ohnehin entspannen, weil nach der Treppen eine etwas weitläufigere Halle mit einigen Ausstellungsstücken wartete. Dort konnte man auch ein Katana – sicher in einem Plexiglas-Kasten verwahrt – anheben. Ich war echt erstaunt, was für ein Gewicht diese Schwerter hatten. Leichter war auch die Muskete nicht, die im Kasten danach stand.
Ich weiß nicht, was mit den älteren Leuten von vorher war, aber je weiter ich in die Burg vordrang, umso weniger schien sie mir für Senioren geeignet. Mehrere steile Treppen führten einen die unzähligen Stockwerke der Burg hinauf. Kleine, steile Stufen, eine niedrige Decke und nicht gerade ein sicherer Tritt auf Socken. Selbst mir graute ein wenig davor, diese später auf anderer Route runtergehen zu müssen. Wobei ich beim Aufstieg dafür mehr aufpassen musste mit dem Rucksack auf dem Rücken nicht hängenzubleiben.
Die oberen Stockwerke waren ohne viele Attraktionen außer dem Ausblick, den man vor allem von obersten (zugänglichen) Stockwerk hatte, bei dem es auch einen kleinen Schrein gab. Danach begann der beschwerliche Weg hinab, bei dem auch weniger zwei Personen nebeneinander gehen konnten als aufwärts. Entsprechend staute sich die Masse an den Treppen nach unten deutlich mehr. Ich war heilfroh, dass man auf dem Weg nach unten Gummistopper an den Stufenkanten hatte – meine Größte Sorge auf dem Weg nach oben. Dafür musste ich bei meinen europäischen 1,85m mächtig den Kopf einziehen – was auch schon die deutlich kleineren Japaner mussten.
Von der Burg in den Garten
Den Weg vom Hauptgebäude der Burg zurück ging ich anders als den Weg hinauf und kam dabei wieder an einige schöne Spots. Einen nutzte ich dann auch für einen kleinen Muttertagsgruß nach Hause. Wann kann man schon mal vor einer solchen Kulisse Muttertagsgrüße senden? Noch wichtiger war aber, dass sich meine Mama auch riesig darüber gefreut hat, auch wenn die Aufnahme in den ersten von mehreren kleinen Nieselschauer fiel. Ein neugieriger Blick aufs Niederschlagsradar zeigte mir: Himeji war zu der Zeit der äußerste Rand der Regenwolken und wurde ab und an dann doch gestreift.
Trotzdem suchte ich nach dem Kokoen-Park, für den ich schließlich auch eine Karte hatte. Zum Glück spielte das Wetter tatsächlich auch mit. Allerdings ging ich dafür zuerst die total falsche Richtung, weshalb ich immerhin dann doch einmal um die Burg gehen durfte. Auch der kostenlose Burg-Park war bereits überraschend schön und bot einige prächtige Ausblicke auf die Burg, die irgendwie von fast jedem Ort aus das Zentrum der Motive zu sein schien. Seltsamerweise war ich zu der Zeit einer der wenigen Bewunderer dieser schönen Umgebung – fast schon etwas schade. Aber mit der Burg und dem Kokoen gab es eben auch zwei Orte, die nochmal schöner waren.
Der Kokoen-Park ist zwar ein vergleichsweise neuer Park, der 1992 eröffnet wurde, aber er befindet sich auf der westlichen Residenz des Feudalherren. Somit ist er auch in die historische Gemäuer eingerahmt. Außerdem ist es mehr eine Sammlung mehrerer kleinerer Gärten zu verschiedenen Themen, die sich aber vom Stil an der Edo-Zeit orientieren.
Ich war echt begeistert vom Charme dieses Parks, der mir gewissermaßen ja nur 50 Yen zum normalen Burg-Ticket mehr gekostet hat. Habt ihr genug Zeit in Himeji, solltet ihr unbedingt beide Orte besuchen, da es sich wirklich lohnt. Es ist eines der schönsten Parkanlagen, die ich gesehen habe und äußerst gut gepflegt.
Da ich nach dem Park allerdings noch etwas Zeit bis zum nächsten guten Shinkansen nach Okayama hatte, ging ich auf Nahrungssuche. Bei all den Optionen kehrte ich allerdings mal wieder beim Saizeriya ein, da ich eher am Abend in Kyoto ein etwas schöneres Essen haben wollte. Durch das Essen und den direkten Untergrund-Weg der Futtermeile zum angrenzenden Bahnhof merkte ich erst am Gleis, dass es mittlerweile wohl stärker regnete und der Blick aufs Radar verriet, dass es diesmal wohl auch etwas länger dauern sollte. Also wieder alles richtig gemacht mit dem Shinkansen, der mich nach Okayama brachte.
Okayama – Einer der drei großen Gärten Japans
Als ich in Okayama ankam, war es schon fast 16 Uhr und der Tag damit schon deutlich vorangeschritten. All zu viel hatte ich aber auch nicht mehr vor. Eigentlich wollte ich hier in erster Linie einen der drei großen Gärten Japans besichtigen, der fußläufig vom Bahnhof zu erreichen war.
Für einen Moment hatte ich dabei Angst, mich verkalkuliert zu haben. Ich schaute nämlich viel zu spät, wie überhaupt die Öffnungszeiten des Parks sind. Zuerst bekam ich auf dem Smartphone 17 Uhr angezeigt, was mir nur etwas mehr als eine halbe Stunde im Park verschafft hätte. Zum Glück schloss der Park dann aber doch um 18 Uhr und ich hatte somit mehr als genug Zeit, den Garten in aller Ruhe zu erkunden.
Dafür dass er als einer der drei wichtigsten Parks in Japan gilt, war ich zunächst trotzdem ein bisschen enttäuscht. Es war ein recht großer Park, aber an manchen Flächen vielleicht wieder zu offen ohne den Platz sinnvoll zu nutzen. Er war einesfalls schlecht, aber für mich selbst war der Inokashira Park in Tokyo oder auch der Kukoen in Himeji kurz zuvor einfach durchgehend ansprechend gestaltet. Auch wirkte der Park nicht an allen Ecken so gut gepflegt wie der Kukoen. Das lag aber was sicherlich auch daran , dass der Park bei der Burg Himeji ganz andere Menschenmassen anzieht.
Viele Details des Parks fielen einem aber auch erst nach und nach auf, wo man dann doch merkt, dass dieser doch ziemlich durchdacht ist. Außerdem hat der Park mit seinen vielen Kirsch- und Pflaumenbäumen auch Zeiten zu dem er ganz besonders schön aussehen muss – und die ich halt verpasst habe.
Ich hatte sogar noch genug Zeit, den Park auf der anderen Seite über eine Brücke zu verlassen, die zum Burg von Okayama führte. Das übrigens auch von vielen Spots des Parks eindrucksvoll zu sehen war. Die Burg Okayama war im Vergleich zu Himeji natürlich etwas kleiner und nicht mehr die originale Burg, sondern eine Rekonstruktion nach dem 2. Weltkrieg. Unabhängig davon zeigten sich aber auch sonst große Unterschiede. Okayama war keine strahlend weiße Burg, hatte dafür aber auch paar interessante Goldornamente. Genauer konnte ich sie aber nicht anschauen – selbst wenn ich Eintritt bezahlt hätte, kam ich quasi zur Schließung der Burg dort an. Aber ich musste sowieso langsam zurück, um meinen Zug zurück zu bekommen. Zuvor ging es noch in den FamilyMart, um die ganzen verbrauchten Kalorien auf dem Rückweg wieder auszugleichen.
Zurück in Kyoto
Nachdem ich zweimal dem Regen erfolgreich entfloh, kehrte ich also nach etwas mehr als einer Stunde Zugfahrt zurück. Zu meinem Glück hatte sich pünktlich zu meiner Ankunft der Regen verzogen, sodass ich vom Bahnhof zu Fuß gehen konnte.
Ziel war aber zunächst nicht mein Hotel, sondern das Okonomiyaki-Restaurant, das mir am attraktivsten schien. Weite Teile des Weges ging ich am großen Fluss, der sich durch Kyoto zieht entlang. Gerade der Weg ganz unten am Ufer des Flusses Kamo ist dabei kaum beleuchtet, ebenso wie die Brücken im Gegensatz zu vielen anderen Städte nicht mit Beleuchtung in Szene gesetzt werden.
Das liegt vermute ich an der Natur. In der Ruhe diese Szenerie hörte ich die Zikaden teils sehr laut zirpen und unten am Fluss flogen immer wieder kleine Flugtiere vorbei, die ich zuerst von Umriss und Flugkurven als kleine Vögel vermutete. Ob der Vielzahl im Dunkeln können es aber auch Fledermäuse gewesen sein – immerhin hörte ich kein Gezwitscher.
Die Suche nach Okonomiyaki-Restaurants war auch an diesem Tag verzweifelt. Überall wo ich hin wollte waren große Schlangen. Bei dem ersten Restaurant, das in guten 90 Minuten schließen sollte wurde gerade auch die Schlange sogar gerade abgeschlossen, sodass ich eh keine Chance mehr gehabt hätte. Irgendwann suchte ich mir eine Alternative in scharfem chinesischen Essen mit einem kalten Sake dazu. Meine Stäbchenfertigkeiten haben sich erneut verbessert gezeigt: Auch die Pfefferkörner aufzuheben war kein Problem.
Insgesamt war dieser Tag eine positive Überraschung. Ich stand auf mit wenig Erwartung, überhaupt viel unternehmen zu können und bin am Ende trotz diverser Bahnfahrten meine vermutlich längste Distanz in Japan gegangen und habe dabei trockenerweise viele großartige Orte gesehen. Trotzdem gibt es noch immer mehr als genug Orte für die nächsten Tage zu entdecken.