Tag 43: Kyoto Teil 1 – Auf dem Schulweg

Tag 43: Kyoto Teil 1 – Auf dem Schulweg

Endlich Urlaub! Das darf man auch gerne sagen, wenn man sich bereits in Japan befindet. In diesen 2 Wochen in der Mitte meiner Japanreise schnappte ich mir den JR Pass, der mich für 14 Tage (gibt es auch für 7 und 21 Tage) fast alle Shinkansen-Schnellzüge in Japan nutzen ließ. Damit ging es natürlich auch mal weiter aus Tokyo hinaus. Zunächst warteten 6 Übernachtungen nach Kyoto. Das ist allerdings auch mehr der Ausgangspunkt für weitere Unternehmungen, die mich an diesen Tage auch oft genug aus Japans Kultur-Hauptstadt hinausführen sollten. Aber erst einmal hinkommen.

Für den JR Pass erhält man zunächst nämlich nur ein Ticket, das man in Japan dann an einem entsprechenden Service-Center gegen den tatsächlichen Pass umtauschen kann. Da Mülltrennung in Japan ein ziemlich ernstes Thema ist, nahm ich zuvor noch meinen Plastik- und brennbaren Müll mit zum nächsten Konbini, um in meiner Abwesenheit keinen Müll zurückzulassen, der Ungeziefer anlocken könnte. Lediglich ein paar größere PET-Flaschen durften Zuhause bleiben, da ich die sperrigen Flaschen jetzt nicht auch noch dem Konbini aufdrücken wollte. Mit einem Getränk und einem Schokobrötchen ging es dann nach Nakano, um von dort direkt mit dem Zug zur Tokyo Station durchzufahren, von wo auch mein Shinkansen abfahren sollte.

Leider war schon der Weg nach Nakano nasser als gedacht. Irgendwie habe ich mehr auf das Wetter in Kyoto geschielt und dabei ganz übersehen, dass es in Tokyo bereits schon etwas früher regnet. Meine Jacke war zumindest halbwegs regenfest, nur mit der Laptop-Tasche zusätzlich zum Rucksack war es blöd. Aber auf mich wartete ja noch eine lange Fahrt um trocken zu werden.

Zuvor aber erst einmal zum Service Center. Das fand ich überraschend gut, allerdings bereits mit einer langen Schlange, die meinen ursprünglichen Zug trotz Zeitpuffer in weite Ferne rücken ließ. Da eine Mitarbeiterin bereits schon in der Schlange Pässe checkte und Anträge vorausfüllte – gewohnt überragend freundlich – verließ ich das Service Center aber überraschenderweise nur eine Minute nach planmäßiger Abfahrt. In Japan bedeutet “planmäßige Abfahrt” aber halt auch meist tatsächliche Abfahrt – welch dekadenter Luxus! Dafür hatte ich genug Zeit, um mir vor der Fahrt ein Ekiben zu kaufen – die Lunchbox für große Zugfahrten. Amüsanterweise wurde es sogar exakt die gleiche Box, die ich bei meiner ersten, deutlich kürzeren Shinkansen-Fahrt hatte.

Aber erstmal aufs Land

Manchmal hasse ich ja echt die vollen Lokalzüge in Japan, die oft nur seitliche Sitzbänke haben. Umso mehr liebe ich allerdings die Fahrt im Shinkansen. Zum Glück habe ich tatsächlich einen Fensterplatz auf der Seite bekommen, die während der Fahrt Blick zum Fuji hat. Aber bei dem Sauwetter an diesem Tag habe ich folgerichtig ausgeschlossen, dass dieser sich überhaupt auch nur in irgendeiner Form zeigt. Trotzdem war es eine sehr schöne Zugfahrt und ich kann einfach nicht genug von den japanischen Gebirgspanoramen bekommen – vor allem wenn die Fahrt so ruhig und doch so schnell ist, dass man die gut 500 Kilometer mal eben in 2 ½ Stunden zurücklegt, obwohl man den schnellsten Zug der Verbindung mit dem JR Pass leider nicht nutzen darf.

Bevor es jedoch nach Kyoto ging, hatte ich noch einen Zwischenstop auf dem Plan: Toyosato. Ich wollte nämlich eine gewisse Pilgerstätte für Fans des Animes K-On!! besuchen. Die liegt nämlich ziemlich an der Shinkansenstrecke, sodass ich sie im Vorbeigehen mitnehmen kann. Leider gab es da zwei Probleme.

Problem 1: Das Wetter am Anreisetag war nicht so prickelnd. Schon in Tokyo regnete es und zog sich noch bis Nagoya hin und später sollte es in Kyoto richtig losgehen. Zwischendrin war aber die Hoffnung, dass ich tatsächlich trocken in die kleine Stadt Toyosato komme, wo mein Ziel lag.

Problem 2: Toyosato ist ein kleines Städtchen von 7.500 Einwohnern. Shinkansen dagegen fahren nicht nur als Statussymbol, sondern allein schon wegen der absurden Länge der Züge nur größere Bahnhöfe an, die sich entsprechend lange Bahnsteige leisten können. Toyosato war natürlich kein solcher Ort. Zum Glück lag in der Nähe zumindest die Station Maibara, an dem der Shinkansen hält und die relativ nah am Ziel Kyoto dran ist. Ich musste aber bereits in Nagoya umsteigen, weil mein erster Shinkansen eben nicht in Maibara hielt. Der Umstieg dauerte aber nicht lange und zwei Stunden später war ich in Maibara.

Von dort ging es aber auch nicht direkt nach Toyosato, sondern nach Kawase, die von einem Zug angesteuert wird, der etwas weiter nördlich fährt. Es war ein deutlich schnellerer Umstieg als direkt nach Toyosato und die Bahn ist deutlich schneller mit weniger Stationen, sodass es trotz der gut 40 Minuten Fußweg der schnellere Weg zum Ziel war. Zudem war es eine JR-Linie (die haben nicht nur Shinkansen), die ich mit meinem Pass kostenlos nutzen konnte.

Auch das Wetter spielte so weit mit und ich genoss den Weg. Obwohl die Orte dort nahtlos ineinander über gingen, führte der Weg mich nämlich auch direkt an Reisfelder ab, die sich aber – vermutlich wegen der Fruchtbarkeit – immer wieder mit Getreidefeldern abwechselten. Dafür gab es natürlich auch ein cleveres Bewässerungssystem, dass nicht alle Felder unter Wasser setzte. Mein erstes Mal, dass ich so direkt an Reisfeldern entlang ging und es war einfach schön.

Apropos unter Wasser: Auf den letzten Metern öffnete sich leider doch der Himmel weil sich alles doch etwas schneller zusammenbraute als ursprünglich angesagt. Und ich hatte noch etwas zu sehr getrödelt, weil ich in der Ferne auch den Blick auf die Shinkansen-Strecke im Reisidyll genoss. Der Regen ließ mich die Beine dann aber fix in die Hand nehmen. Das änderte leider trotzdem nichts daran, dass ich erst einmal ziemlich durchnässt von den wenigen Minuten im Regen ankam.

Daddel in der Schule – Ein K-On!!-Traum

Dennoch stand sie plötzlich vor mir: Die Schule, die unverkennbar Modell gestanden hat für den Anime K-On!! – der übrigens eigentlich in Tokyo spielt. Es ist unglaublich wie identisch die Schule schon von außen aussieht – auch wenn die Umgebung nicht mehr ganz so gut aussieht, da die Schule seit einigen Jahren nicht mehr als solche genutzt wird, aber eben als eine Art Museum für Fans der Serie wiederbelebt wurde und auch etliche Touristen ins kleine Örtchen zieht – wie mich. Zugleich ist es aber auch ein interessanter Ort für Fans des amerikanischen Missionars William Merrell Vories, der diese und viele weitere Gebäude – darunter auch etliche Schulen – in Japan entworfen hat.

Erst einmal ging es zur Information in der ehemaligen Schulkantine. Es schien mir ein guter Ort um erstmal etwas anzutrocknen bevor ich die Schule erkunde. Trotzdem war auch das schon ein echter Hingucker. Zunächst hieß es aber: Straßenschuhe aus und in die massenweise vorhandenen Hausschuhe geschlüpft. Mit diesen hatte ich nach meinem Ito-Wochenende immerhin Übung.

Neben einen Shop – bei dem ich mir neben einen Ritsu-Untersetzer auch was zu trinken gönnte – gab es dort quasi eine Art zweistöckigen K-On!!-Schrein. Dieser enthielt nicht nur jeden erdenklichen Merch zu den Protagonistinnen, sondern auch unzählige Instrumente, die diese in der Serie spielen und die es auch in echt gibt.

Während meiner Pause ein erster kleiner Schock. Im Shinkansen nach Maibara hatte ich etwas mein Gepäck umgeräumt um meine Powerbank rauszukramen und dabei auch die Nintendo Switch rausgenommen. Diese hatte ich aber ganz offensichtlich nicht wieder eingepackt. Ich nutzte die kleine Pause um nachzuschauen, wo ich den Verlust melden kann. Da der Zug aber sowieso eine Station weiter in Osaka Endstation hatte und Japaner an sich sehr ehrlich sind, machte ich mir nicht ZU große Sorgen.

Als ich zumindest wieder mein Abtropfgewicht erreichte, war zumindest der ganz heftige Regen vorbei und ich kam semi-nass zum Hauptgebäude der Schule. Es ist nicht unüblich, dass Mangas sich Fotos realer Orte für Hintergründe nutzen, aber der umgekehrte Effekt, wenn der Manga oder Anime plötzlich real vor einen erscheint ist einfach berauschend. Die Gänge und vor allem die Treppen mit ihren Schildkröten und Hasen am Geländer fühlten sich so vertraut an, obwohl man das erste Mal da ist.

Proberaum und Aula

Wer die Serie kennt, möchte aber natürlich in erster Linie in den Raum des Musikclubs. In diesem finde ich natürlich keine Instrumente, sondern entsprechend der Serie einen Tisch der mit Tee und Kuchen gedeckt ist – denn auch wenn die Serie um einen Musikclub in der Schule geht – die Musik spielt bei ihren Club-Treffen oft eine eher untergeordnete Rolle.  Auf der Tafel, die vermutlich immer mal wieder gereinigt wird, haben sich viele Fans mit Sprüchen und Zeichnungen verewigt und es gibt auch ein Gästebuch, in das man etwas hinterlassen durfte. Ich glaube die zahlreichen Ordner in den Regalen sind mit diesen Einträgen gefüllt.

Insgesamt sind da oben aber die Räumlichkeiten schon ein bisschen anders als in der Serie. Ein Raum sieht mit Bühne eher einem Klassenraum ähnlich, in dem die Band mal ein Konzert für ihre Mitschüler gespielt hat. Dort finden sich auch ein paar echte Trommeln. Ich finde es allgemein schön, wie dieser Ort frei zugänglich ist, ohne das jemand darauf achtet, dass die Besucher nichts kaputt machen – und die Schule lässt sich kostenlos besuchen.

Zum Schluss wollte ich noch die Aula aufsuchen. Auf dem Weg merke ich, dass die Schule schon auch für andere Gemeindezwecke genutzt wird. So gibt es beispielsweise einen Raum der flächendeckend gepolstert ist und vielleicht für Yoga und ähnliches genutzt wird. Ein anderer war voll mit Spielsachen die vermutlich gespendet wurden.

Die Aula war dann allerdings in ihrem ursprünglichen Zustand. Hier wurde nichts in Richtung der Serie dargestellt, aber dennoch erkennt man auch diesen Schauplatz wieder. Eigentlich ist es schon seltsam, dass dieser Ort voller Anime-Erinnerungen ist, ohne dass er extra dazu gebaut wurde.

Langsam wurde es allerdings Zeit, der Schule Lebwohl zu sagen. Ich weiß, dass Toyosato auch sonst noch einiges zu zeigen hätte, aber mein eigentliches Ziel für diesen Tag war eben Kyoto.

Ankunft in Kyoto

Diesmal ging es aber von Toyosato los. Zunächst war ich ein bisschen perplex, als ich ohne ein Ticket-Tor direkt zum Bahnsteig durch kam. Zum Glück hing da am Bahnsteig ein erklärendes Bild … auf japanisch. Mit der Übersetzungsapp fand ich aber heraus, dass der Zug wohl wie manche Bussen funktioniert: dass man sich beim Einstieg eine Nummer zieht und dann entsprechend der Nummer angezeigt bekommt, was man beim Aussteigen bezahlen muss. Da hatte mein Zug beim Hinweg nochmal einen Vorteil mehr. Zum Glück hatte ich genug Bargeld für den Zug dabei und bekam am Ende auch den geplanten Anschlusszug nach Kyoto.

Da es wieder kein Shinkansen war konnte ich eine Station vorher aussteigen, um auf eine U-Bahn zu wechseln die mich noch einmal deutlich näher an meine Unterkunft brachte. Dort gab es dann erst einmal das Checkin-Prozedere, bei dem ich die in Japan vielerorts übliche Tourismus-Steuer bezahlen durfte: 200 Yen pro Nacht = 1.200 Yen. Mit der Gebühr rechnete ich aber bereits und bei dem Preis für das Hotel selbst, konnte ich da noch immer nicht meckern.

Auf nach oben, Zimmerbesichtigung. Amüsanterweise entdeckte ich kurz vorm Fahrstuhl ein paar Manga-Regale, in die man gerne reinlesen darf, wenn man japanisch kann. Das Zimmer selbst war laut Stockwerkplan das kleinste. Aber es war noch immer ein Doppelzimmer mit 2 Betten, dass ich für mich alleine hatte. Eigentlich gab es alles was man braucht – sogar eine Nespresso-Maschine, Tresor und einen kleinen Kühlschrank. Dafür hatte ich keinen Schrank zum Unterbringen von Kleidung und Co – aber so ein zweites Bett ist ja auch gute Ablagefläche. Außerdem gab es eine beheizte Space-Toilette und separat ein Badezimmer inklusive Badewanne.

Hier ließ es sich für 6 Nächte bestimmt gut aushalten. Anstelle des Stauraumes fehlte mir eigentlich nur ein anständiger Tisch. Der Minitisch war jetzt nicht unbedingt für längeres Sitzen am Laptop ergonomisch zu empfehlen. Aber im Optimalfall sollte ich jetzt ja auch nicht zu viel Zeit im Zimmer verbringen.

Ein schönes, aber nasses Kyoto

Auch wenn das Wetter in Kyoto auf nicht endenden Dauerregen stand, wollte ich mir meine neue Heimat natürlich erst einmal genauer anschauen. Ein kleines Bisschen Resthelligkeit war noch da als ich loszog, aber die Laternen gingen bereits an.

Mein Hotel war schon abartig gut gelegen. Zahlreiche Tempel und auch das berühmte Gionviertel mit seinen alten Gebäuden und endlos vielen Bars und Restaurants befand sich nur wenige Minuten von meiner Unterkunft entfernt. Das Gionviertel war es auch, das ich ansteuerte in der Hoffnung mal Okonomiyaki zu essen, jetzt wo ich nahe der kulinarischen Herkunft bin. Aber nichts da: Trotz des Wetters war es gerade bei meinen Zielen so voll, dass die Leute draußen noch anstanden.

Am Ende war ich dann allerdings – ohne Regenschirm – so nass, dass ich für diesen Tag dann einfach den Mc Donalds in meiner Nähe angesteuert habe. Danach ging es noch auf die Suche nach einem Konbini. Die waren hier in der Hotelregion dann nicht ganz so zahlreich, wie ichs aus Tokyos bewohnteren Gegenden kenne. Außerdem war ein FamilyMart gerade im Umbau und ein anderer sehr kleiner in einem großen Theaterkomplex, der abends außerdem schloss. Meine dritte Anlaufstation, ein Seven-Eleven war dann zumindest ein Erfolg, wenn auch zu der Zeit nicht gerade mit den vollsten Regalen. Für mich aber auch kein Wunder, bei der allgemeinen Konbinisituation in dieser Ecke.

Zurück im Hotel entschloss ich mir nach der vielen Nässe von oben auch nochmal die Wanne zu füllen, um ein entspanntes Bad zu nehmen. Der anschließende Blick auf die Wettervorhersage für den kommenden Tag, war ziemlich enttäuschend. Entgegen der vorigen Vorhersagen schien es nun nicht nur in Kyoto, sondern auch in sämtlichen umliegenden Städten nur Dauerregen auf dem Programm zu geben. Zumindest ist das Hotelzimmer ganz schön.

Ein großes Tori in Kyoto bei Nacht, durch das eine Straße verläuft.
Die Suche nach einem Konbini führt mich an einem großen Torii vorbei.

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